Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
Temple Hall , doch die Stimmung hätte nicht unterschiedlicher sein können als am Tag davor. Die Erben wirkten ernster, nicht nur, weil einigen unter ihnen ihre Begegnung mit der Sonne noch deutlich anzusehen war. Auch Alisa litt noch unter ihren schweren Verletzungen.
Doch es war mehr. Das Unbeschwerte war verschwunden. Die letzte Nacht hatte sie alle ein wenig erwachsener gemacht. Im Geist waren sie noch beim Kampf und Ende des Meisters– ihres Stammesvaters Dracula– und erlebten diese dramatischen Momente wieder und wieder. Seine und Ivys Vernichtung, die lieber mit ihm in den Tod gegangen war, als sich geschlagen zu geben und ihn wieder entkommen zu lassen.
So mischte sich Stolz auf ihren Sieg mit der Trauer um die Lycana, die, auch wenn sie eine Unreine gewesen war, doch mehr zu den Erben gehört hatte als manche andere. Die meisten von ihnen empfanden so, und Marie Luise und Karl Philipp waren zumindest bereit, ihre Meinung für sich zu behalten.
So saßen die Erben schweigend beisammen und warteten darauf, dass das frische Rinderblut vom Fleischmarkt in Smithfield geliefert wurde. Doch die Vyrad ließen sich heute Zeit. Hier und dort begannen zaghaft geflüsterte Gespräche. Keinem war es heute danach, seine Stimme laut zu erheben, und nicht einmal Tammo fiel eine Bemerkung ein, um sie aufzuheitern.
Da trat Lord Milton ein, gefolgt von Lady Margaret und einigen ihrer Senior Barrister. Er trat nach vorn an den großen Eichentisch und sah die Erben an. Dieses Mal musste er nicht warten, bis sie still wurden und bereit waren, ihm zuzuhören. Alle sahen erwartungsvoll zu ihm auf.
» Ihr alle habt in der vergangenen Nacht Großes geleistet und eine Katastrophe für alle Clans verhindert. Wir wollen uns nicht ausmalen, was mit uns geschehen wäre, wenn es Dracula gelungen wäre, Erzsébet wiederzuerwecken und Ivy in seine Gewalt zu bekommen, um mächtige Nachkommen mit ihr zu zeugen. Uns wäre nur die Wahl geblieben, uns unterzuordnen oder im Kampf vernichtet zu werden. Ivy wusste das, und sie hat sich für uns alle geopfert. Wir erkennen ihre Hingabe und ihren Mut an. Doch ohne ihre Freunde wäre auch sie trotz all ihrer Kräfte mit ihrem Plan gescheitert. Daher betone ich noch einmal: Auch euch gebührt der Dank aller Vampire. Ihr habt bewiesen, dass ihr in den Jahren der Akademie gereift seid, dass ihr viel gelernt habt und an magischen Kräften gewonnen, ja, inzwischen mehr davon besitzt als die meisten Clanmitglieder. Daher sind wir übereingekommen, dass es nur recht und billig ist, euch in unseren Kreis aufzunehmen. Euch ist vielleicht schon aufgefallen, dass ich keinen unserer Servienten losgeschickt habe, Rinderblut für euch zu besorgen. Heute Nacht werden wir zusammen auf die Jagd gehen und euer Ritual feiern, das euch zu vollwertigen Clanmitgliedern macht und von nun an gestattet, euch an Menschenblut zu stärken.«
Für einen Moment war es totenstill im Saal und die Erben sahen einander verblüfft an. Dann brandete die Begeisterung hoch. Für einen Moment vergaßen viele ihre Trauer um Ivy. Aufgeregt erhoben sich ihre Stimmen. Nur Alisa, Leo und Luciano stimmten nicht in die freudigen Rufe mit ein.
» Er hat wohl vergessen, wie alt ich bin«, sagte Tammo zu den Pyras. » Dass ihn ja keiner daran erinnert! Ich will auf alle Fälle dabei sein.«
» Das wirst du, Kleiner«, gab Fernand begeistert zurück und hieb ihn auf den Rücken, dass Tammo von seinem Stuhl kippte und unter den Tisch fiel.
Alisa, Leo und Luciano tauschten verwunderte Blicke.
» Ob das mit den anderen Clanführern abgestimmt ist?«, fragte sich Alisa.
Luciano schüttelte den Kopf. » So schnell? Das kann ich mir nicht vorstellen. Selbst wenn sie telegrafieren.«
» Dame Elina wäre das bestimmt nicht recht.«
» Warum nicht?«, wandte Luciano ein. » Wir sind bereits siebzehn, die anderen noch älter.«
» Marie Luise ist sechzehn und Tammo erst dreizehn«, korrigierte Alisa.
» Dann sollen sie halt hierbleiben«, wehrte Luciano ab, dem beim Gedanken an Menschenblut ganz schwindelig wurde. Es war ihm, als könne er wieder Clarissas Blut auf der Zunge schmecken. Er warf ihr einen Blick zu. Luciano war sich nicht sicher, ob der Rausch der Erinnerung ihr gefiel, doch sie konnte zum Glück keine Gedanken lesen. Jemand anderes allerdings umso besser.
Wenn du das machst, dann wirst du es bereuen!, erklang Tammos Stimme drohend in Alisas Kopf.
Es ist doch nur zu deinem eigenen Schutz. Du bist zu jung. Es ist zu
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