Die Erben der Nacht - Vyrad - Schweikert, U: Erben der Nacht - Vyrad
entdeckt?«, fragte Luciano. Der Dracas nickte. Natürlich bewegten sich Vampire geräuschlos, ohne Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie konnten mit den Schatten verschmelzen, wenn sie an einer düsteren Stelle bewegungslos verharrten, doch hier, innerhalb der Mauern des Gefängnisses, waren die Wächter geschult, auf jede noch so harmlos wirkende Bewegung zu achten. Wer konnte schon wissen, wie es in dieser Nacht um ihre Wachsamkeit bestellt war. Der Dracas, der die Kräfte seines Clans brillant beherrschte, konnte den Wächtern ein Gefühl der Sicherheit vermitteln, das sie gelassen und vielleicht ein wenig schläfrig stimmen würde. Dennoch mieden die Vampire sorgsam das Licht der Lampen und blieben, so gut es ging, in Deckung.
Vor ihnen erstreckte sich der von der Mauer umgrenzte Gefängnishof und gab den Blick auf mehrere sehr unterschiedliche Gebäude frei. Ganz offenbar war die Anlage nicht als Einheit geplant und gebaut worden. Das Gefängnis selbst bestand aus drei aneinandergereihten Häusern, deren Giebelwände aneinanderstießen. Eines der Häuser und ein großer Teil der angrenzenden Mauer sahen recht neu aus, während das Gebäude daneben eher wie notdürftiges Flickwerk erschien. Das dritte Haus schien das Älteste in dem Ensemble zu sein.
Ein Stück weiter die Mauer entlang, vorn am Tor, konnten sie ein niedriges Gebäude ausmachen, das als eine Art Wachstube dienen musste. Es war hell erleuchtet, und sie erkannten einige bewaffnete Männer durch das Fenster. Auch im Hof patrouillierten ab und zu zwei Wächter vorbei. Die Erben warteten, bis sie sich gerade entfernten, und untersuchten zuerst einmal die drei Türen, um einen Weg ins Innere zu finden, mussten zu ihrer Enttäuschung aber feststellen, dass diese aus Eisen waren, sehr stabil wirkten und so dicht schlossen, dass nicht einmal eine Maus hineinschlüpfen konnte.
» Dann vielleicht durch ein Fenster?«, schlug Luciano vor. » Ich dreh mal eine Runde.« Er wandelte sich wieder zur Fledermaus. Franz Leopold folgte ihm. Sie flogen systematisch jedes der vergitterten Fenster ab, konnten aber keines finden, durch das sie ins Gebäude hätten schlüpfen können.
Verflixt! Uns fehlt Alisa mit ihrem Einbruchswerkzeug. Sie könnte bestimmt eine der Türen aufbekommen, teilte Luciano seine Gedanken mit Franz Leopold.
Wir schaffen das auch ohne Alisa, gab Leo abweisend zurück.
Ach ja? Und wie? Willst du nun wie dein Vetter zu roher Gewalt greifen? Und selbst dann bleibt es schwierig. Diese Eisentüren sehen mir verdammt stabil aus. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das hinbekommen, und schon gar nicht, ohne aufzufallen.
Leo erwiderte nichts, vor allem deshalb, weil ihm bisher auch keine Lösung einfiel. Und er hatte nicht vor, Luciano das auf die Nase zu binden.
Fliegen wir erst einmal zu den anderen zurück und berichten ihnen, dass wir bei den Fenstern kein Glück hatten.
Die beiden Fledermäuse drehten noch eine Schleife und kehrten dann in den Hof zurück, wo sie Mervyn und Rowena in der dunklen Ecke zwischen dem neueren und dem nachlässig reparierten Gebäude zurückgelassen hatten. Zu ihrem Erstaunen fanden sie aber nur Mervyn vor. Franz Leopold und Luciano wandelten sich rasch zurück.
» Wo ist Rowena?«, fragte Leo scharf.
Mervyn sah ihn mit einem seltsamen Lächeln an. » So ganz genau kann ich das nicht sagen– oder doch, halt, direkt hinter euch! Kommt schnell, ehe eine der Wachen etwas bemerkt.« Er eilte an ihnen vorbei.
Luciano und Franz Leopold fuhren herum und entdeckten Rowena im Spalt der schweren Eisentür, die sie ihnen von innen öffnete! Sie winkte kurz und ehe sie es sich versahen, war Mervyn schon in der Tür verschwunden.
» Wie hat sie das denn gemacht?«, stotterte Luciano ungläubig.
» Das werden wir herausfinden!«, entgegnete Leo mit Nachdruck. » Später, jetzt erst einmal rasch hier hinein!«
Er griff Luciano am Ärmel und zog ihn hinter sich her auf die Tür zu. Rowena schob sie kurz auf und schloss sie dann hinter den drei Erben. Vor ihnen lag ein langer, düsterer Gang, der von den beiden trüben Lampen am Anfang und am Ende nur dürftig erhellt wurde.
» Gehen wir«, wisperte Rowena und wandte sich ab, doch Luciano hielt sie am Ärmel fest.
» Sag uns erst, wie du das gemacht hast. Ich habe mir die Tür angesehen. Da kommt nicht einmal eine Maus durch. Kannst du dich in ein noch kleineres Tier verwandeln?«
Rowena wich seinem Blick aus. » Vielleicht. Das ist jetzt nicht wichtig.
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