Die Erben der Schöpfung
einschlief oder vielleicht auch kurz danach hörte er ein anderes Geräusch. Nicht nur Regen.
Ein Scharren.
Er kniete sich hin. Diego schlief noch immer. João Miguel machte die Vorderklappe des Zelts auf und sah in den Regen hinaus. Erneut vernahm er das Geräusch und versuchte, es zu orten. Mittlerweile war er hellwach. Er verließ das Zelt und hielt sich eine Hand über den Kopf, um sich vor den Tropfen zu schützen, die durch die Bäume drangen.
Fast wäre er über eine Kiste gefallen, die umgekippt vor seinen Füßen lag. Ihr Inhalt lag kreuz und quer verstreut. Wieder ertönte das Geräusch, doch diesmal von woanders her.
Jetzt knackten Zweige, noch näher.
Wie viele Schritte? Zwei, vier? João Miguel spähte durch den Regen zu ihrer Feuerstelle, doch es war zu finster, um irgendetwas zu erkennen.
Er entfernte sich ein paar Schritte vom Zelt.
Erneut die Schritte, diesmal lauter.
»Wer ist da?«, rief er. Seine Muskeln verkrampften sich. Er war von Kopf bis Fuß durchnässt. Nachdem er sich das Wasser aus den Augen gewischt hatte, griff er nach dem Messer an seiner Seite.
Hinter ihm. Eine schnelle Bewegung.
Mit erhobenem Messer wirbelte er herum, um sich den Eindringlingen in den Weg zu stellen. Er schrie auf, als er in nächster Nähe die Umrisse einer Gestalt erkannte. Der nächste Schrei blieb ihm im Hals stecken, während ihm der Schmerz in den Kopf schoss. Die Finsternis um ihn herum wurde zu vollkommener Schwärze, und er fiel zu Boden.
III. TEIL
DER FLUCH DER ERSTGEBORENEN
Aber wir wurden nicht von gefallenen Engeln geboren, sondern von emporgestiegenen Affen, die außerdem bewaffnete Mörder waren. Worüber sollen wir uns also wundern? Über unser Morden, unsere Bomben und Raketen, unsere ständig marschierenden Truppen? Oder über unsere Bündnisse, was immer sie wert sein mögen? Über unsere Symphonien, wenn sie auch selten gespielt werden? Über unsere friedlichen Äcker, wenn sie auch allzu oft zu Schlachtfeldern wurden? Über unsere Träume, auch wenn sie selten in Erfüllung gehen? Das Wunder der Menschheit ist nicht, wie tief sie gesunken, sondern wie hoch sie emporgestiegen ist.
Robert Ardrey,
Adam kam aus Afrika, (Wien-München-Zürich, 1967)
Dann sprach Gott, der Herr: Seht, der Mensch ist geworden wie wir; er erkennt Gut und Böse.
Genesis 3,22
26
Der Regen prasselte durch den morgendlichen Dunst auf den Waldboden. Die gewohnte Kakofonie unzähliger Geräusche war noch fieberhafter als sonst, wurde jedoch vom allgegenwärtigen Plätschern des Regens auf das obere Blätterdach übertönt. Wie eine Million sanfter Trommelschläge verlieh der Regen dem Waldleben eine archaische Eindringlichkeit. Der Wolkenbruch strömte direkt aus den saftigen Bäumen, als hätten diese in ihren Blättern und Zweigen das Wasser erzeugt.
Für die Menschen im Inneren des zwischen Baumstämmen geborgenen silbernen Zelts bedeutete der Regen ein Signal, liegen zu bleiben. David Mercer empfand dies besonders intensiv, jedoch nicht etwa, weil er ein notorischer Langschläfer gewesen wäre, denn das war er nicht. Doch an diesem Morgen war der Regen ein dumpfer Schmerz, der das bohrende Pochen hinter seinen Augen noch verschärfte.
In einem Zustand irgendwo zwischen Schlaf und Benommenheit untergruben Davids Schmerzen seine matten Bemühungen aufzuwachen. Es kostete ihn bereits einiges an Anstrengung, überhaupt zu ergründen, woher die Schmerzen kamen. Am schlimmsten waren sie im Kopf, direkt hinter den Augen. Doch als er die Arme hob, um seine Schläfen zu reiben, merkte er, dass sein Kopf nur die vordergründigste Schmerzquelle war. Von Kopf bis Fuß tat ihm alles weh. Jeder einzelne Muskel schien in Flammen zu stehen, und auf einmal erschien ihm der Regen wie eine willkommene Linderung.
So hatte er sich doch gestern Abend nicht gefühlt, oder? Sein wirrer Verstand versuchte, sich zu erinnern. Eigentlich hatte er ganz fest geschlafen, was bei ihm ungewöhnlich war. Er schlug die Augen auf. Ein großer Fehler. Das Licht stach ihm wie Dolche in die Augen und fachte den brennenden Schmerz dahinter an, bis er glaubte, sie würden explodieren. Wo war er?
David.
Er hörte eine Stimme. Nein, er hörte wieder eine Stimme. Wer war das? Erneut öffnete er trotz des schmerzhaften Lichts die Augen.
»David. Schlafen Sie noch?« Die Stimme war weich und sanft, ohne jeden Vorwurf, eine geradezu feenhafte Frauenstimme. Er schaute in Richtung der Sprachlaute.
Ein verschwommenes
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