Die Erben der Schöpfung
Amazonasbecken im Alleingang gestellt, obwohl es in Strömen regnete. Für sie war es die Erfüllung eines Traums, eine richtige Aufgabe mit richtigen Konsequenzen und richtigen Gefahren zu haben. Während sie am Vortag ständig von Ängsten geplagt wurde, hatte sie sich mittlerweile an die Verfolgungsjagd gewöhnt und fühlte sich wie ein vollwertiges Mitglied des Suchtrupps.
Sie waren am Morgen schon geschlagene drei Stunden marschiert, nachdem sie am Vorabend beschlossen hatten, über Nacht zu pausieren statt die Verfolgung fortzusetzen, da der Schimpanse aller Wahrscheinlichkeit nach ohnehin oben im Blätterdach übernachten würde. Nach dem Aufstehen hatten sie feststellen müssen, dass das Signal deutlich nachgelassen hatte, und so waren sie fast drei Kilometer in Richtung Fluss gegangen, ehe das Signal wieder stärker geworden war.
Ayala führte die Gruppe mit stoischer Ausdauer. Sie ging leise und leichtfüßig durch den Wald, während Carlos und Susan ein paar Schritte dahinter folgten. Mithilfe eines Kompasses oder durch einen Schwenk der Antenne orientierte sie sich immer wieder neu, doch meistens schien sie ganz von selbst zu wissen, wohin sie gehen musste.
Carlos hatte sich als erstaunlich guter Gefährte erwiesen. Ob es nun darum ging, Feuer zu machen oder einen Unterschlupf zu bauen, er hatte offenbar für alles einen natürlichen Instinkt. Als sie am Vorabend Halt gemacht hatten, hatten die Bäume zu dicht für ein Zelt gestanden, und so hatte er die Zeltplane geschickt in benachbarte Zweige eingehängt, um so ein provisorisches Dach zu errichten, und eine Rinne gegraben, sodass sie trotz des Gewitters die Nacht trocken überstanden hatten.
Außerdem war er aufmerksam und schob herabgefallene Äste oder hervorstehende Wurzeln beiseite, damit Susan nicht stolperte. Sie genoss seine zuvorkommende Art, und so gern sie ihren Mann auch mochte, hatten doch fünfzehn Jahre Ehe und zwei anstrengende Jobs gewisse Abnutzungserscheinungen der galanten Gesten mit sich gebracht, die zu Beginn ihrer Ehe so häufig gewesen waren.
Der heftige Regen machte die Sicht schlecht, und Susan war dankbar für die Regenmäntel mit den weiten Kapuzen, die sie dabeihatten und die einen guten Schutz boten. Die Mäntel waren luftdurchlässig und machten den Regen so zu einer erfrischenden Abwechslung zu der Hitze vom Vortag.
Ayala überprüfte eine Kompassangabe, ehe sie sich zu Susan umwandte. »Sie haben mir nie verraten, was an diesem Schimpansen so wertvoll ist«, sagte sie. »Warum wollen Sie ihn eigentlich unbedingt finden? Sie sind doch Reporterin.« Sie hob die Stimme, um den Regen zu übertönen.
»Ja, bin ich«, antwortete Susan. »Der Schimpanse ist der wichtigste Beleg für eine große Geschichte. Wir haben eine Firma entdeckt, die zu Forschungszwecken menschliche Feten gezüchtet hat, um intelligente Schimpansen zu erschaffen. Ohne den Affen haben wir nicht genug Beweise, um die Geschichte zu verkaufen. Man braucht einfach Anschauungsmaterial! Wenn die Leute sehen, wie der Schimpanse Rechenaufgaben löst, kann ich schreiben, was ich will, und kriege auf jeden Fall den Pulitzerpreis. Ohne den Schimpansen klingt das Ganze wie aus einem sensationslüsternen Revolverblatt.«
»Warum schießen Sie nicht einfach ein paar Fotos, statt sich die Mühe zu machen, ihn zu fangen?«
»Das ist nicht vergleichbar. Ich will ihn lebend vorführen können und vor Zeugen. Es muss so überzeugend sein, dass niemand auf die Idee kommt, es sei eine Art Taschenspielertrick.«
»Was macht Sie so sicher, dass der Schimpanse wirklich so schlau ist, wie Sie sagen?«
»Ich habe Unterlagen. Nur leider wurden die nicht auf legalem Wege beschafft!«, rief Susan und grinste dabei Carlos an.
»Hoffentlich machen Sie dann seinen Käfig sauber, in meinem Vertrag steht davon nämlich nichts! Wenn er erst einmal in Manaus ist, gehört er Ihnen ganz allein.«
»Wenn er so begabt ist, wie ich glaube, kann er seinen Käfig selbst sauber machen.«
Das Gespräch stockte, da das Gelände steil anstieg und der Weg durch etwas blockiert wurde, was wie ein großer Erdrutsch aussah. Ayala inspizierte den Haufen und ging parallel daran entlang. Die Erdmasse war mehrere hundert Meter lang unpassierbar. Sie blieb stehen und öffnete ihren Rucksack.
»Ich glaube, wir können hier queren, aber wir müssen uns die Bäume zunutze machen.« Sie holte ein Seil und ihre Armbrust heraus. Mit regennassen Händen legte sie ein Kreuz auf den Bolzen und zielte
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