Die Erben der Schöpfung
»Anscheinend wollte jemand etwas schreiben und wurde dann unterbrochen. Zumindest beweist es, dass es von Menschen geschrieben wurde. Vielleicht hat jemand die Schimpansen gesehen und daraufhin die Zeichnungen angefertigt. Die Betreffenden könnten uns eventuell helfen, die Affen zu finden.«
Carlos inspizierte das Bauwerk. »An den Balken ist kein Moos. Wahrscheinlich ist das alles erst letzte Woche oder so eingeritzt worden.«
Ayala gesellte sich wieder zu ihnen. Carlos zeigte ihr die Zeichnungen und die Worte, und sie betrachtete alles eingehend.
»Steht in Ihren illegalen Unterlagen irgendetwas darüber, dass der Schimpanse ein geisteskranker Mörder ist?«, fragte sie Susan.
»Was?«
»Das Tier, auf das Sie gestoßen sind, ist nicht das einzige. Es gibt noch drei weitere, an jeder Seite der Lichtung eines: östlich, westlich, nördlich und südlich von diesem Bauwerk. Sie haben ja gesehen, wie die eine Ratte aufgeschlitzt wurde. Aber vielleicht haben Sie nicht gesehen, dass die Tiere auch gefoltert wurden.«
»Gefoltert? Was meinen Sie damit?«, fragte Carlos nervös.
»An einigen der anderen Tiere ist es leichter zu sehen, aber es sind Brandwunden auf der Haut und Anzeichen von Verstümmelungen an Pfoten und Augen. Neben einem der Tiere finden sich angebrannte Stöcke und Hinweise auf ein Feuer. Ich erkenne Foltermerkmale auf den ersten Blick; bitte fragen Sie mich nicht, warum.« Ayala erschauerte.
»Ich würde sagen«, fuhr sie fort, »die Tiere wurden innerhalb der letzten zwei Tage aufgespießt. Die Verwesung hat gerade erst eingesetzt. Diese Zeichnungen sind meiner Meinung nach klare Beweise dafür, dass derjenige, der das hier geschrieben hat, Ihre Schimpansen meint.«
Carlos betrachtete die Zeichnungen erneut. »Vielleicht waren die Tiere eine Art Opfer, eine Methode, um die Schimpansen oder irgendein Unheil abzuwehren oder so. Wahrscheinlich das Werk eines einheimischen Stamms.«
Mittlerweile hatte Susan ihre Kamera aus dem Rucksack geholt und den Altar von allen Seiten fotografiert. Ein Bild war schauriger als das andere, und sie fühlte sich wie eine Fahnderin der Mordkommission am Tatort eines besonders blutrünstigen Verbrechens.
Ayala richtete sich auf und sah Susan mit hochgezogenen Brauen an. »Keine Sorge«, sagte sie, »ich habe schon Schlimmeres überstanden.«
»Da wäre ich mir nicht so sicher«, wandte Carlos ein. »Wir wissen fast nichts über diesen Schimpansen. Vermutlich ist er wesentlich gefährlicher, als wir immer dachten. Dieser Altar bestätigt, dass dem Erbauer das, was er in den Schimpansen gesehen hat, nicht geheuer war. Ich würde empfehlen, dass wir das alle im Gedächtnis behalten.«
Sie verließen den Altar und marschierten in Richtung des Signals wieder in den Wald hinein.
28
Mercer und Jeremy waren gut vorangekommen, nachdem sich Mercer den größten Teil des Tages ausgeruht hatte. Vom Gewicht seines Rucksacks befreit, hatte er ein angemessenes Tempo einhalten können, und so hatten die beiden bei Anbruch der Nacht bereits ein großes Stück ihres Rückwegs bewältigt. Hilfreich war dabei gewesen, dass der Regen bis zum frühen Abend fast ganz aufgehört hatte. Jeremy hatte zweimal erfolglos versucht, Diego zu erreichen, es dann jedoch aufgegeben und sich gesagt, dass die anderen ohnehin nicht viel tun konnten, bis er mit Mercer ins Basislager zurückgekehrt war. Am folgenden Nachmittag wären sie hoffentlich längst auf dem Rückweg zum Firmengelände.
Jeremy konnte es kaum erwarten. Obwohl es ihm nicht an einer gewissen Abenteuerlust mangelte, verlor er langsam den Spaß an der Expedition. Er war am ganzen Körper von Moskitostichen übersät, sehnte sich nach einem vernünftigen Essen und war nicht gut genug in Form, um die endlosen Märsche genießen zu können.
Er wollte Mercer nicht allzu massiv antreiben, da dieser sonst womöglich am nächsten Tag außerstande wäre, den Rückweg anzutreten, und so schlugen sie am späten Abend ein Lager auf. Nach einer kurzen Mahlzeit errichtete er das Kuppeldachzelt. Beide schliefen bald ein, Mercer allerdings noch schneller als Jeremy.
Die Nacht verlief sehr unruhig. Obwohl Jeremy normalerweise tief und fest schlief, hielten ihn Mercers Fieberanfälle die meiste Zeit über wach. Immer wieder hörte er seinen Gefährten hochfahren, stöhnen oder im Schlaf um sich schlagen. Als die Schwärze der Nacht ins Morgengrauen überging, fühlte sich Jeremy wie gerädert. Schließlich meldete sich seine Blase, und er
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