Die Erben der Schöpfung
auf den Gipfel der steilen Anhöhe. Surrend schoss das Seil los, bis sich das Kreuz in etwa dreißig Meter Entfernung in einen Baumstamm am oberen Ende des Erdwalls bohrte. Ayala zog probehalber am Seil und begann, sich durch den hüfthohen Schlamm nach oben zu ziehen. »Folgen Sie mir, sobald ich das Seil oben gesichert habe«, wies sie Carlos und Susan an.
Sie kam nur langsam voran, und einmal verlor sie gar den Halt auf der glitschigen Anhöhe, fiel hin und rutschte ab, bis sie über und über mit Schlamm bedeckt war. Schließlich stützte sie sich gegen einen Baumstamm, der aus dem Erdwall heraussah, und kämpfte sich quer zum Hang zurück, um das Seil wieder zu greifen, das nun seinerseits im Schlamm versunken war. Dann zog sie sich weiter hinauf, bis sie an dem Baum am oberen Ende angelangt war, in den sie das Kreuz mit dem Seil geschossen hatte. Sie packte das Seil und wickelte es ein paarmal um den Baum, ehe sie es festband. Dann winkte sie den anderen, dass sie ihr folgen sollten.
Susan und Carlos hangelten sich nacheinander mühsam den Erdwall hinauf, wo sich alle drei hinter dem Baum ausruhen konnten. Allesamt waren sie voller Schlamm, vor allem Ayala, konnten aber bis zum Grat des Walls klettern und weitergehen. Durch den Regen entdeckten sie ein Stück weiter vorn etwas Helles. Ayala zeigte auf die Stelle und schlug den Weg dorthin ein.
Beim Näherkommen sahen sie eine große Lichtung von vielleicht fünfzehn Metern Breite, in die das Sonnenlicht strömte, obwohl der Regen sogar noch heftiger wurde. Carlos blieb am Rand der Lichtung stehen und blickte über die mit niedrigen Farnen und Gräsern bewachsene Fläche. In der Mitte befand sich ein Stapel Holz. »Das sieht aber künstlich aus«, sagte er und zeigte darauf. »Hier war jemand.«
Die drei marschierten auf den Holzstapel zu. Auf einmal stieß Susan einen Schrei aus. Carlos und Ayala eilten zu ihr. Sie hatte sich abgewandt und sah aus, als sei ihr schlecht. Es dauerte eine Weile, bis sie den Kopf wieder drehen und auf den Boden zeigen konnte. Dort, auf einem gerodeten Flecken Erde, lag mit dem Bauch nach oben eine riesige aufgeschlitzte Ratte. Ihre vier Glieder waren mit gespitzten Stöcken am Boden befestigt. In einer Linie über ihren ganzen Rumpf war die Haut aufgetrennt und zurückgeklappt worden. Der Brustraum war nach beiden Seiten offen, indem auch dort die Haut seitlich aufgespießt worden war, sodass die inneren Organe der Ratte freilagen wie bei einem Frosch im Biologieunterricht.
Der Regen hatte den blutigen Rattenkadaver verfilzt, doch war er noch relativ frisch und nicht verwest. Susan atmete tief durch und ging mit Carlos zu dem Holzstapel in der Mitte der Lichtung. Ayala marschierte außen um die Lichtung herum und blieb immer wieder stehen, um den Boden zu inspizieren.
Carlos kam als Erster bei den gefällten Stämmen an und stellte fest, dass sie sogar noch raffinierter gestapelt waren, als er gedacht hatte. Sie waren zu einem Pentagramm angeordnet und an jeder der fünf Seiten vier Etagen hoch aufeinandergelegt worden. Oben lagen flache Scheite, an denen die Rinde komplett abgeschält worden war. Das gesamte Bauwerk hatte einen Durchmesser von ungefähr drei Metern und war etwa einen Meter hoch.
Susan wanderte um den seltsamen Altar herum und hielt inne, als sie auf der anderen Seite anlangte. Ganz oben stach ihr etwas ins Auge, und sie winkte Carlos herbei.
Jemand hatte nicht nur die Rinde von allen Baumstämmen abgeschabt, die oben auf dem Pentagramm lagen, sondern auch noch in eines der Holzstücke etwas eingeritzt. Die Zeichnung umfasste drei Einzelbilder. Im ersten standen mehrere menschenähnliche Figuren dicht nebeneinander auf etwas, das einem Boot ähnelte.
Bei näherer Betrachtung stellte Susan fest, dass die Figuren gar nicht menschenähnlich waren, sondern eher Affen glichen, da sie alle vornübergebeugt auf lange Arme gestützt dastanden. Die Zeichnung war primitiv, aber nicht schlecht gemacht.
Neben diesem Bild war eine zweite Zeichnung von ähnlichen affenartigen Gestalten, diesmal jedoch im Gehen. Insgesamt waren es sechs oder sieben Figuren, von denen manche deutlicher ausgearbeitet waren als andere. Der Anführer war klein und ging aufrecht.
Auf dem dritten Bild beugte sich eine einzelne Affenfigur über ein kleines Tier. Der Affe hielt einen kurzen, spitzen Stock. Unter den Bildern war eine Inschrift:
ICH BIN
Carlos sprach als Erster. »ICH BIN? Was soll das heißen?«
Susan zuckte die Achseln.
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