Die Erben der Schwarzen Flagge
sich zu schmalen Schlitzen verengt, wie die eines Raubtiers, das sich angepirscht hatte und kurz davor stand, sich auf seine ahnungslose Beute zu stürzen.
Von den Briten unbemerkt, hatte die Leviathan sich von ihrem Ankerplatz gelöst. Bricassart hatte nur die Toppsegel setzen lassen, um das Schiff innerhalb des Hafenbeckens zu manövrieren und in eine günstige Schussposition zu bringen – und während die britischen Schiffe sich darauf konzentrierten, die Festung unter Beschuss zu nehmen, hatten Bricassarts Kanoniere genügend Zeit, ihr Ziel sorgfältig ins Visier zu nehmen.
Als schwarzer Schemen kam die Leviathan aus der Dunkelheit. Überdeckt vom Lärm der unentwegt feuernden Geschütze, klappten die Stückpforten auf, und die eisernen Rohre der Kanonen wurden ausgefahren. Erneut hielt Bricassart es mit den Raubtieren. Die Fregatte anzugreifen, barg ein zu hohes Risiko, denn ihm stand auf der Leviathan lediglich eine Rumpfmannschaft zur Verfügung. Die verbliebene Brigantine hingegen stellte eine sehr viel leichtere Beute dar.
Breitbeinig auf der Back stehend, die Pistole in der einen und das Rapier in der anderen Hand, taxierte er das britische Schiff. Im Widerschein der feuernden Geschütze konnte er dieBesatzung sehen, die sich an Deck versammelte und bereitmachte, an Land zu gehen.
Dazu, dachte Damian, würde es nicht kommen – und mit gellendem Schrei gab er den Feuerbefehl.
Sodann spuckten die Geschütze der Bugsektion ihre verderbliche Ladung – die Kugeln trafen die Brigantine knapp oberhalb der Wasserlinie und schlugen hässliche Löcher. Der scharfe Pulverdampf stieg Damian in die Nase, und er stellte sich vor, was jetzt bei den Briten unter Deck vor sich gehen mochte, wie Chaos und Panik ausbrachen und es Trümmer, Blut und Knochensplitter hagelte. Lautes Geschrei drang von der Brigantine herüber, und jetzt endlich begriffen die Engländer, dass sich unbemerkt ein Feind genähert hatte, der sie von der ungeschützten Backbordseite aus angriff.
»Feuer!«, befahl Damian abermals, und diesmal waren es die Stücke mittschiffs, deren Ladungen aus den Mündungen zuckten und den Briten das Verderben schickten.
Zu seiner Erbauung konnte Damian sehen, wie einige der Geschosse das Schanzkleid durchschlugen und auf dem Oberdeck blutige Schneisen hinterließen. Pulverfässer explodierten, ein roter Feuerball rollte über das Deck.
Damian verfiel in heiseres Gelächter, als er den Schaden sah. »Kettengeschosse!«, ordnete er an. Der Quartiermeister gab den Befehl nach achtern weiter, und die Geschütze dort feuerten auf die Takelage der Brigantine. Holz splitterte mit hellem Knacken, als der Großmast oberhalb der Großrah durchtrennt wurde. Die Mastspitzen knickten, stürzten samt den Wanten und Segeln auf Deck und erschlugen Dutzende von Seeleuten.
»Zum Angriff!«, forderte der junge Bricassart, und die Leviathan änderte ihren Kurs, hielt jetzt direkt auf die Brigantine zu, die bisher keinen einzigen Schuss zur Gegenwehr abgegebenhatte. Dann flackerten achtern die Geschütze auf, aber sie waren in aller Hast geladen und abgefeuert worden, sodass die Kugeln kläglich fehlgingen und Damian nur höhnisches Gelächter abrangen.
Am Bug seines Schiffes stehend und umwölkt von Pulverdampf, wartete er, bis die Leviathan die Brigantine eingeholt hatte. Noch während er längsseits ging, ließ er die nachgeladenen Geschütze eine Breitseite geben, die die Briten in die Eingeweide traf. Dann flogen bereits die Entertaue, und an einem Seil, das er eigens an der Fockrah hatte befestigen lassen, schwang Damian Bricassart an Bord der Brigantine, gefolgt von seinem mordlüsternen Haufen.
Der Erste, der dem jungen Kapitän zum Opfer fiel, war ein britischer Maat, der sich ihm todesmutig in den Weg stellte – Bricassart schoss ihn nieder, während er noch am Seil hing. Geschmeidig landete er auf dem Vordeck der Brigantine. An der Spitze seiner Meute fiel er über die Engländer her, und ein blutiges Gemetzel entbrannte. Von Ordnung war an Bord des britischen Schiffes keine Rede mehr. Der Kapitän war gleich beim ersten Treffer gefallen, seinen Stellvertreter hatte das herabstürzende Großmastsegel erschlagen. Die Geschützführer und Maate versuchten zwar, den Widerstand zu organisieren, aber die meisten fielen unter den Äxten und Säbeln der Piraten, noch ehe ihre Bemühungen Erfolg zeigten.
Unbarmherzig ließ Damian seinen Säbel tanzen, schlug blutige Kerben in die Reihen der britischen Seeleute und
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