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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gesammelt wurden. Welchen dieser Schatzhäfen sie anzusteuern hatten, erfuhren die Kapitäne stets erst kurz bevor sie in See stachen – Carlos de Navarro, der Conde von Maracaibo, pflegte es ihnen persönlich mitzuteilen.
    Dank dieser Taktik sollten Piratenüberfälle schon bald der Vergangenheit angehören, worüber Capitán Cesar, der Kommandant der San Felipe, fast ein wenig enttäuscht war. Denn insgeheim brannte er darauf, es den dreisten Seeräubern heimzuzahlen, die schon so viele seiner Landsleute gemeuchelt und zahllose Galeonen auf den Grund der See geschickt hatten.
    Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen stand Cesar auf dem Hüttendeck und ließ den Blick stolz über das Oberdeck schweifen, wo die Sechspfünder säuberlich aufgereiht an den Stückpforten standen. Jedes der Geschütze trug einen Namen, und Cesar nahm für sich in Anspruch, die schnellsten Stückmannschaften weit und breit zu unterhalten. Als ehemaliger capitán de guerra wusste er genug über den Seekrieg, um für den Fall, dass sich schmutziges Piratenpack zeigte, bestens vorbereitet zu sein – und er war bereit, seine wertvolle Fracht mit Leib und Leben zu verteidigen. Der Conde hatte Cesar seines unbedingten Vertrauens versichert, und der Capitán würde ihn nicht enttäuschen.
    Die Abenddämmerung war hereingebrochen, und ein blutrotes Band überzog die Kimm 4 von Westen her. Viele seiner Vorgänger,dachte Cesar, wären bei diesem Anblick wohl nervös geworden, denn im Zwielicht der Dämmerung schlug gemeinhin die Stunde der Piraten: Dann konnten sie sich unbemerkt bis auf wenige Seemeilen an ihr Opfer heranschleichen, um aus dem Verborgenen heraus zuzuschlagen. Cesar hingegen hatte alle Ruhe der Welt, denn die San Felipe und ihre Sechspfünder würden nicht weichen, wenn die feigen Räuber der See sich zeigten.
    »Schiff an Steuerbord!«, meldete plötzlich der Ausguck, als wäre der innerste Wunsch des Capitán erhört worden.
    Cesar trat an die Achterreling, ließ sich sein Fernrohr reichen und warf einen Blick hindurch. Ein triumphierender Schrei entrang sich seiner Kehle, als er das ferne Schiff erblickte – und die schwarze Flagge, die am Masttopp wehte.
    »Piraten!«, rief er aus und konnte seine Begeisterung kaum verbergen. Denn das fremde Schiff war weder Galeone noch Pinasse, sondern nur eine altersschwache zweimastige Schaluppe. Die Segel blähten sich und trieben das kleine Schiff geradewegs in sein Verderben; gegen die Geschütze der San Felipe würde es nicht die geringste Chance haben.
    »Beidrehen, Senõr Alcazar«, wies Cesar den alférez de mar an.
    »Beidrehen, Senõr Capitán?«
    »Das sagte ich, oder nicht?« Cesar warf seinem Fähnrich einen indignierten Blick zu. »Schiff klarmachen zum Gefecht. Wir werden diesen vermaledeiten Piraten beibringen, was es heißt, mit der San Felipe anzubinden.«
    »Aber – Senõr Capitán!« Alcazar, ein blutjunger Fähnrich zur See, der erst seine zweite Fahrt hinter dem Mast absolvierte, schaute seinen Vorgesetzten entsetzt an. »Die San Felipe ist kein Kriegsschiff, Senõr Capitán! Wäre es nicht besser, wenn wir …«
    »Ich habe Euch nicht um Eure Meinung gebeten, Senõr«, stellte Cesar klar. »Schiff klarmachen zum Gefecht!«
    Alcazar nickte eingeschüchtert und verbeugte sich, dann gab er den Befehl an die Mannschaft weiter – und während die Schaluppe weiter auf die San Felipe zuhielt, um ihren Kurs zu kreuzen, wurde die Galeone in Gefechtsbereitschaft versetzt.
    Pistolen und Stichwaffen wurden ausgegeben, und die fünfzehn Soldaten, die den Transport begleiteten, bezogen mit ihren Musketen hinter dem Schanzkleid Stellung. Cesar rechnete nicht damit, dass es zum Nahkampf kommen würde; die Sechspfünder würden das Piratenschiff in tausend Stücke sprengen, noch ehe einer der Mordbrenner auch nur begriff, wie ihm geschah. Schon waren die Stückmannschaften dabei, die auf dem Oberdeck postierten Geschütze zu besetzen. Eine Breitseite aus allen sechs Stücken würde wohl genügen, um das Piratenschiff auf den Grund der See zu schicken; falls nicht, würden Cesars Leute innerhalb weniger Minuten eine zweite Kanonade nachschicken können, die der Schaluppe endgültig den Rest gab.
    Nacheinander meldeten die Stückmannschaften Einsatzbereitschaft. Cesar sah die Lunten aus den Enden der Kanonenrohre ragen, sah die flackernden Flammen in den Händen der Geschützmeister – und er brannte darauf, den Feuerbefehl zu erteilen. Inzwischen war die Schaluppe in

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