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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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vor Furcht sein weiteres Schicksal.
    Wortlos nahm der Franzose die Klinge entgegen und wog sie in der Hand. Für einen Augenblick spürte Cesar vage Hoffnung – kurz bevor der Schwarzgewandete ihm mit einem blitzschnellen Stoß die Spitze des Rapiers ins Herz senkte.
    Zweifelnd schaute der Capitán an sich herab, sah den kalten Stahl in seiner Brust. Sein letzter Blick galt dem Mörder, der mit kaltem Lächeln vor ihm stand.
    »Eure Kapitulation ist angenommen, monsieur le capitaine «, sagte der Franzose.

6.
    E lena de Navarro schlug die Augen auf.
    Es dauerte einige Augenblicke, bis sie begriff, dass sie sich in der Einsamkeit ihres Schlafgemachs befand, hoch über den Zinnen der Festung Maracaibo. Die junge Frau atmete tief durch, um ihren pochenden Herzschlag zu beruhigen. Sie musste geträumt haben. Was genau der tiefe Schlaf ihr vorgegaukelt hatte, wusste sie nicht mehr, aber es musste ein Albtraum gewesen sein – ihr Nachtgewand war von Schweiß durchnässt.
    Im Zimmer war es dunkel, bis auf das Mondlicht, das durch die Fensterläden sickerte. Elena beschloss, dass ein wenig frische Luft ihr gut tun würde. Sie schlug die Decke zurück und schwang sich aus dem Bett, schlüpfte in die Pantoffeln, die säuberlich aufgereiht am gewohnten Platz standen. Den Nachtumhang um die Schultern, trat sie ans Fenster, öffnete es und stieß die Fensterläden auf.
    Der Anblick war überwältigend.
    Vom Fenster ihres Schlafgemachs aus konnte Elena die Bucht von Maracaibo überblicken: die eng stehenden Häuser, die sich sichelförmig um das Hafenbecken scharten, in dem Galeonen und Handelsschiffe vor Anker lagen; darüber die von Urwald gekrönten Berge, die sich dunkel und schemenhaft erhoben, die Wachtürme auf den Klippen, deren Signalfeuer weithin zu sehen war. Jenseits davon lag die schwarze Fläche der See; das Glitzern des sich spiegelnden Mondes, der hoch am dunklen Nachthimmel stand, wetteiferte mit dem Funkeln der Sterne. Die Luft war kühl und würzig. Eine frische Brise wehte landeinwärts und vertrieb mit salzigem Atem den Geruch von Fäulnis und Moder, der tagsüber aus dem Landesinneren drang. Und über allem lagdas Rauschen der Brandung, das bis zur Festung hinauf zu hören war.
    Elena atmete tief ein. Die frische Nachtluft strich über ihr heißes Gesicht und vertrieb die letzten Erinnerungen an den düsteren Traum. Und schließlich kehrte auch ihre Zuversicht zurück.
    Anfangs war sie nicht sicher gewesen, ob sie der Einladung ihres Vaters folgen sollte, zu ihm nach Maracaibo zu kommen. Vor allem ihre Mutter, die am Hof von Madrid bereits eine passende Partie für sie ausgesucht hatte, war alles andere als angetan gewesen von der Vorstellung, nach ihrem Gatten nun auch noch die Tochter in die Kolonien zu geben. Aber Elena hatte schon immer ihren eigenen Kopf gehabt, und so war sie dem Ruf ihres Vaters gefolgt. Und bislang hatte sie ihren Entschluss auch nicht bereut.
    Neugrenada war tatsächlich jener exotische Ort, von dem ihr Vater ihr vorgeschwärmt hatte. Nie zuvor hatte Elena einen größeren Reichtum an Buntheit und Vielfalt gesehen; das satte Grün der Bäume, das dunkle Grau der Klippen, die türkise See – wie ein bunter Bilderbogen stürzte all das auf sie ein und bezauberte sie. Elena hatte stets mehr vom Leben gewollt, als einem jungen Conde in die Ehe gegeben zu werden und ein Leben zu führen, wie ihre Mutter es für sie plante. Die Doña ähnelte mehr ihrem Vater; sie besaß seinen Mut und seine Entschlusskraft, und wenn sie sich etwas in den Kopf setzte, dann brachte sie es zu Ende. Dazu gehörte auch, ein anderes, ungewöhnliches Leben zu führen, und Maracaibo war dazu der rechte Ort.
    Die Vielzahl der Arten, mit denen die Tier- und Pflanzenwelt Neugrenadas aufwartete, war schlicht überwältigend. Es gab Tiere, deren Existenz man zu Hause in Spanien schlichtweg für unmöglich gehalten hätte, und Orchideen, deren Schönheit alles übertraf. Bewohnt wurde dieses Land von dunklen Menschen mit geheimnisvoll blickenden Augen, deren Kleider nochbunter waren als der farbenprächtigste Empfang am spanischen Hof. Und auf dem Markt von Maracaibo wurden Fische und Früchte feilgeboten, deren Namen Elena nicht einmal kannte. Jeder Tag bot hier eine neue Überraschung, und es gab so viel Neues zu entdecken, dass die Tochter des Conde ihrem Vater nur aus tiefstem Herzen beipflichten konnte: Es war das Paradies auf Erden.
    Carlos de Navarro hatte nie einen Hehl daraus gemacht, dass seine Tochter

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