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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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gab weder anklagende Blicke noch drohend geballte Fäuste. Dennoch hatte Nick das Gefühl, eine Grenze überschritten zu haben, die er nicht hätte überschreiten sollen.
    »Gut, Lad, du hast deinen Standpunkt klar gemacht«, sagte McCabe ruhig. »Aber dein Freund hat Recht – du kannst nicht erwarten, dass wir alle unseren Hals riskieren, nur weil du mit den Spaniern eine Rechnung offen hast.«
    »Ich bin nicht der Einzige, der eine offene Rechnung mit ihnen hat. Sagtest du nicht, dass einige von euch entlaufene Sklaven wären?«
    »Das stimmt. Aber wir haben erkannt, dass man länger lebt,wenn man die Erinnerungen ruhen lässt. Es ist nicht gut, die Geister der Vergangenheit zu wecken.«
    »Unsinn«, erwiderte Nick. »Unsere Vergangenheit ist ein Teil von uns. Sie macht uns zu dem, was wir sind. Wir können ihr nicht entkommen – schon gar nicht, wenn wir bei Flaute festsitzen.«
    Er wandte sich wütend ab – um unvermittelt vor Cutlass Joe zu stehen, der lautlos hinzugetreten war.
    »Plagt dich die Hitze, Flanagan?«
    In der Stimme des Kapitäns schwang unverhohlene Drohung mit. Joe hatte kein Hehl daraus gemacht, dass er Nick nicht in seiner Mannschaft haben wollte, und daran hatte sich in den letzten Wochen nichts geändert.
    »Es ist nicht die Hitze, Käpt’n«, gab Nick schnaubend zurück. »Schon eher die Feigheit.«
    In den Augenwinkeln des Piraten zuckte es amüsiert. Er schien sich darüber zu freuen, dass der unerwünschte Gast endlich sein wahres Gesicht zeigte.
    »Du nennst mich einen Feigling?«
    »Das musst du selbst beurteilen, Joe«, erwiderte Nick schulterzuckend. »Jedenfalls habe ich dich in den vergangenen Wochen nicht einen Kaperbefehl geben hören.«
    »Und das aus gutem Grund. Die Seadragon ist altersschwach und nur leicht bewaffnet. Einer weiteren Begegnung mit einer Galeone würde sie nicht standhalten, und wir alle wären …«
    »Die Seadragon ist ein gutes Schiff«, widersprach Nick entschieden, der genügend Zeit gehabt hatte, die Brigantine auf Herz und Nieren zu überprüfen. »Sie mag alt sein, aber sie hat einen soliden Kern, und mit ein wenig Geschick und neuen Segeln könnte man dafür sorgen, dass sie ihrem Namen wieder gerecht wird – so jedoch, fürchte ich, hat der Drache seine Zähne verloren.«
    Cutlass Joe, der kein Meister des gesprochenen Wortes war, verschlug es die Sprache. Unter den Piraten setzte eifriges Gemurmel ein – Nicks Worte hatten Eindruck gemacht.
    »Mit nur ein wenig Geschick«, fügte Nick deshalb hinzu, »könnten wir die Seadragon schnell genug machen, um es selbst mit einer Galeone aufzunehmen.«
    »Du redest dummes Zeug.«
    »Keineswegs. Der Seemann, bei dem ich in die Lehre gegangen bin, hat mich viel über Schiffe und ihren Bau gelehrt. Mit einer neuen Takelung und ein paar Veränderungen an Ruder und Rumpf könnten wir der Seadragon ihre alte Schnelligkeit zurückgeben.«
    »Um was zu tun? Mit den Spaniern um die Wette zu fahren? Für eine erfolgreiche Kaperfahrt braucht man weit mehr als ein schnelles Schiff, du Grünschnabel. Man braucht dazu Informationen, Spione in jedem großen Hafen – und wir haben weder das eine noch das andere.«
    Es war still geworden auf dem Oberdeck. Das Gemurmel der Mannschaft hatte ausgesetzt, aller Augen waren auf Nick und den Kapitän gerichtet. Die Männer fühlten, dass etwas in der Luft lag. Nick hatte Cutlass Joe herausgefordert, und jeder war gespannt, wie die Konfrontation ausgehen würde. Ganz abgesehen davon, dass Nicks Vorschläge etwas für sich zu haben schienen …
    »Du hast Recht«, räumte Nick ein, »Spione in fremden Häfen haben wir nicht. Aber wir brauchen auch keine, denn wir wissen, von welchem Ort Schiffe ablegen, die wertvolle Fracht geladen haben. Erinnert ihr euch, dass Jim und ich Sklaven in Maracaibo waren? Tag für Tag haben wir Silber aus dem Dschungel in die Stadt getragen, wo es auf Galeonen verladen wird, die es in den nächsten Schatzhafen bringen. Alle sieben Tage legt ein solcherTransport aus Maracaibo ab – alles, was wir zu tun brauchen, ist, uns auf die Lauer zu legen und zu warten, bis ein lohnendes Ziel in unsere Reichweite kommt. Die Belohnung wäre mehr Beute, als ihr euch vorstellen könnt.«
    »Pah«, machte Cutlass und spuckte auf die Planken. »Du redest Unsinn. Jeder weiß, dass die Spanier ihre Silbertransporte schwer bewachen und mit Geleitschutz versehen.«
    »Früher war das so«, gab Nick zu. »Aber in Europa herrscht Krieg. Spanien und seine Verbündeten,

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