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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Schiffes.«
    »Noch nicht«, räumte O’Rorke ein, ein wissendes Lächeln um seine Züge. »Aber wer seinem Stern folgt, der kann niemals wissen, wann seine große Stunde schlägt.«
    »Seinem Stern?« Nick schaute den Pater aus großen Augen an.
    »Sagt man nicht so?«
    »Doch, natürlich. Es ist nur … Eure Worte haben mich an jemanden erinnert. An jemanden, den ich wie einen Vater liebte und dem ich viel zu verdanken habe.«
    »Dann weißt du, wie es ist, zu jemandem aufzublicken und ihm zu vertrauen«, folgerte der Mönch. »Daran denke stets, Nick Flanagan, und vergiss es nie. Andere zu führen, scheint dir im Blut zu liegen. Es ist deine Natur, du kannst sie nicht verleugnen. Aber sei dir stets der Verantwortung bewusst, die du dabei trägst.«
    »Was soll das?« Nick reagierte gereizt. Er wollte nicht, dass ihm jemand Vorhaltungen machte, weder McCabe noch Cutlass Joe noch irgendjemand sonst. Und das Letzte, was er brauchen konnte, war ein Mönch, der ihm ein schlechtes Gewissen einredete.
    »Sprecht mir nicht von Bestimmung, Pater«, sagte er deshalb trotzig, »und vom Stern, dem ich folgen soll. All das habe ich bereits von einem Mann gehört, den ich von Herzen geliebt habe und der mich zeit meines Lebens belogen hat. Wenn es so etwas wie Schicksal gibt, dann hat es mich hierher geführt, auf diesen alten Seelenverkäufer, und wahrscheinlich lacht es über mich. Aber ich werde mich nicht damit abfinden, dass das schon alles gewesen sein soll. Ich werde meinen Platz in dieser Welt finden, und wenn ich als Pirat am Galgen ende, dann soll eben das meine Bestimmung sein.«
    »Es spricht viel Zorn aus dir, Sohn«, entgegnete Pater O’Rorke, und erneut spielte ein weises Lächeln um seine Züge. »Du wurdest enttäuscht und hast viel verloren. Aber der Tag wird kommen, an dem du die Vergangenheit hinter dir lassen und dein Schicksal finden wirst. Das ist so sicher wie das Amen im Hause unseres Herrn …«

8.
    Die Karibische See, 140 Seemeilen nördlich von Maracaibo
Drei Wochen später
     
    C apitán Almaro war nervös.
    Zu viele und zu schreckliche Dinge waren ihm über die Seeräuber zu Ohren gekommen, die sich in diesem Teil der Welt herumtrieben. In verborgenen Buchten und Lagunen lauerten sie, und natürlich hatten sie es ganz besonders auf die Galeonen der Silberflotte abgesehen.
    Almaro hatte sich nicht um dieses Kommando geschlagen.
    Sein Schiff, die Santa Esmeralda, war ein leichter Frachter, der eigentlich auf den Nachschublinien zwischen den Inselkolonien und dem Festland verkehrte; infolge der Verluste, welche die Flotte sowohl durch den Krieg als auch durch die Übergriffe der Piraten hatte hinnehmen müssen, war sie jedoch nach Maracaibo abkommandiert worden, um dafür zu sorgen, dass der Silberfluss zu den Schatzhäfen nicht versiegte. In Zeiten wie diesen, in denen sich Spanien Angriffen von allen Seiten ausgesetzt sah, mussten die Kriegskassen gefüllt sein, und dazu war das Silber aus den Kolonien unerlässlich. Also war die Santa Esmeralda in Maracaibo bis unter den Rand mit Rohsilber beladen worden – und damit ein lohnendes Ziel für die Räuber der Meere.
    Almaro musste vorsichtig sein. Zur Verstärkung der Wachoffiziere, die auf dem Vordeck standen und den Blick aufmerksam über die Kimm schweifen ließen, hatte er weitere Posten aufgestellt, das Krähennest zudem doppelt besetzen lassen. Der Mann aus Sevilla wollte keine böse Überraschung erleben.
    Der Capitán nahm seinen Federhut ab, zog das spitzenbesetzteTaschentuch aus dem Ärmel seines Offiziersmantels und tupfte sich damit die Stirn. Es war später Nachmittag, und die Hitze des Tages hatte merklich nachgelassen. Aber es war nicht die karibische Sonne, die Almaro den Schweiß auf die Stirn trieb, sondern nackte Angst. Und je weiter sich der Tag dem Ende zuneigte, desto größer wurde sie. Schon bald würde die Dämmerung einsetzen. Und wie ein Raubtier, das den Schutz der hereinbrechenden Dunkelheit nutzte, um sich seiner Beute unbemerkt zu nähern, würden die Piraten dann auf die Jagd gehen.
    Der Capitán sprach leise Gebete.
    Schon seit einem Jahr hatte er seine Frau und die Kinder nicht mehr gesehen, und er sehnte sich danach, sie endlich wieder in die Arme zu schließen. Monatelang hatte er darauf gewartet, dass sein nächster Befehl ihn nach Hause führen würde, zurück nach Spanien und zu seiner Familie, aber stets war er auf neue Fahrten innerhalb der Kolonien geschickt worden. Nun endlich durfte er heimkehren. Nur

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