Die Erben der Schwarzen Flagge
nur wenige Yards vor dem Bug der Santa Esmeralda ein und ließ das Wasser aufspritzen. Almaro und der Maestre tauschten einen bedeutsamen Blick – sie hatten das einzig Richtige getan.
Das Piratenschiff ließ ein Beiboot zu Wasser, das rasch übersetzte. Im Heck des Bootes stand ein rothaariger Mann, den Almaro für den Kapitän hielt. Für einen Augenblick spielte er mit dem Gedanken, den Anführer der Piraten gefangen zu nehmen undsich so freies Geleit zu erpressen. Aber er war zu eingeschüchtert, als dass er ein solches Heldenstück gewagt hätte.
Die Männer kamen an Bord – wüste, zerlumpte Gestalten, die mit Pistolen und Musketen bewehrt waren und zunächst alle auf Deck entwaffneten. Dann erst folgte ihr Kapitän, ein grobschlächtiger Geselle, der nicht weniger heruntergekommen war als seine Mannschaft. Sein hervorstechendstes Merkmal war neben dem wirren roten Haar der klobige Säbel, den er am Gürtel trug.
»Senõr«, sagte Almaro und verbeugte sich, »ich übergebe Ihnen dieses Schiff und seine Ladung und liefere mich und meine Mannschaft Ihrer Großmut aus.«
Der Rothaarige lachte dröhnend. Dann wies er Almaros Mannschaft an, die beiden Beiboote zu lösen und zu fieren, die auf dem Oberdeck vertäut waren. Die Besatzung leistete ohne Zögern Folge, selbst Almaro legte mit Hand an – sie alle wollten von Bord, ehe die Piraten es sich vielleicht anders überlegten. Die Boote wurden zu Wasser gelassen, und unter dem spöttischen Gelächter der Seeräuber verließen Almaro und seine Besatzung ihr Schiff. Dem Capitán war klar, dass er seine Ehre auf der Santa Esmeralda zurückließ und man ihn nie wieder mit einem Kommando betrauen würde. Aber er war am Leben, und nur das zählte.
»Vielen Dank für Eure großzügige Spende«, rief der Piratenkapitän ihm hinterher, während die Boote sich mit raschen Ruderschlägen entfernten. »Wir nehmen Euer Silber gern geschenkt, vor allem, da wir nicht die Kraft hätten, es uns mit Gewalt zu nehmen. Ihr dämlichen Hunde seid einem Täuschungsmanöver aufgesessen!«
Der Seeräuber lachte schadenfroh – und Almaro hatte das Gefühl, dass alles um ihn zusammenbrach. Was hatte er getan?Nicht genug damit, dass er sein Schiff und seine Ehre aufgegeben hatte, er musste nun erfahren, dass er es völlig grundlos getan hatte. Der Maestre, der im anderen Nachen an der Ruderpinne saß, warf ihm einen vernichtenden Blick zu, und Almaro wusste, dass dies das Ende seiner Offizierslaufbahn war.
Die Piraten aber lachten nur, und einer rief ihnen etwas hinterher, das Almaro niemals vergaß: »Kommt gut nach Hause, Capitán – und bestellt dem Conde de Navarro schöne Grüße vom alten Angus Flanagan!«
Die Insel hatte keinen Namen.
Auf einer ihrer Fahrten hatten die Männer der Seadragon sie entdeckt – ein entlegenes Eiland südöstlich von Hispaniola, das abseits der bekannten Routen lag und sich gut als Versteck eignete.
Oder dazu, gemachte Beute zu verteilen.
Es war die erste Prise, die die Bukaniere seit langem gemacht hatten, und mit Abstand die größte. Nicht weniger als 30 Säcke Rohsilber hatten sie aus dem Laderaum der Santa Esmeralda geborgen, dazu Proviant und Handelsgüter aus der Neuen Welt, nicht zu vergessen drei Fässer mit bestem Rum. Den ließen sich die Piraten munden, während sie am Strand der kleinen Insel feierten. Die umgebenden Klippen sorgten dafür, dass die Lagerfeuer, die die Bukaniere bei Einbruch der Dunkelheit entzündet hatten, vom Wasser aus nicht gesehen werden konnten. Über den Flammen brieten sie zwei Schweine, die sie im Laderaum der Galeone vorgefunden hatten.
Dass es so einfach gewesen war, den Spanier zu kapern, hatte selbst Nick überrascht. Natürlich, die Seadragon sah nach dem Umbau, den die Bukaniere nach seinen Anweisungen ausgeführthatten, in der Tat Eindruck gebietend aus – dass die Spanier sich davon jedoch so einschüchtern lassen würden, dass sie Schiff und Ladung aufgaben, ohne auch nur einen einzigen Schuss abzufeuern, war nicht zu erwarten gewesen. Nick hatte nackte Furcht in den Gesichtern des Capitán und seiner Männer gesehen, und ein Gefühl sagte ihm, dass nicht die Seadragon allein dafür verantwortlich sein konnte.
Jetzt lag die umgebaute Brigantine, die mit neuer Takelung, zusätzlichem Mast und höherem Schanzkleid wie eine stolze Pinasse aussah, draußen in der Bucht vor Anker. Die Galeone hatten die Piraten noch an Ort und Stelle versenkt, da sie nicht über genügend Leute
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