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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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zu versuchen – als er jedoch sah, wie die fremde Pinasse backsetzte und dadurch der Santa Esmeralda den Weg abschnitt, verwarf er den Gedanken rasch wieder. Denn jetzt präsentierte das fremde Schiff seine Längsseite mit dem hochgezogenen Schanzkleid und den Stückpforten, die auf schwere Bewaffnung schließen ließen.
    »Seht, Capitán!«, rief der Wachoffizier. »Die Pinasse ist schwer bewaffnet. Ich zähle ein Dutzend Geschütze auf der Backbordseite, und die Pforten sind groß genug, um Sechspfünder aufzunehmen!«
    Almaro bekreuzigte sich. Möglicherweise war das Piratenschiff mit den Stücken der San Felipe bewaffnet. Er hatte gehört, dass Cesars Schiff mit einem Dutzend schwerer Sechspfünder ausgestattet gewesen war, die in den Händen der Piraten zu grässlichen Mordwerkzeugen wurden. Panisch überlegte der Capitán, was zu tun war.
    Die Piratenpinasse hatte den Luvvorteil auf ihrer Seite – entkommen konnte man ihr also nicht, zumal nicht in Anbetracht der schweren Ladung der Santa Esmeralda. Ein Ausweichmanöver kam ebenfalls nicht in Frage, denn wenn sich tatsächlich Sechspfund-Geschütze hinter den Stückpforten verbargen, befand sich die Esmeralda bereits in ihrer Reichweite und würde unter Beschuss genommen werden, sobald sie ihren Kurs änderte …
    »Senõr Capitán, sie geben Flaggensignale«, meldete der Maestre 7 . »Sie fordern uns auf beizudrehen und unsere Ladung unverzüglich zu übergeben, andernfalls werden sie jeden an Bord töten.«
    »No lo quiera Dios!« 8 Almaro wischte sich den Schweiß vomGesicht, rieb sich nervös die Augen. Fieberhaft suchte er nach einer Möglichkeit, sowohl sein Leben als auch seine Ladung zu retten, aber er fand keine. Gequält blickte er auf die Geschütze, mit denen er die wertvolle Fracht verteidigen sollte – aber welche Chance hatte er, gegen ein derart großes und schwer bewaffnetes Schiff zu bestehen?
    »Also gut«, sagte er mit bebender Stimme. »Gebt Signal, dass wir kapitulieren.«
    »Was?« Der Maestre, ein gestandener Seemann, der schon zahlreiche Fahrten an Bord der Santa Esmeralda absolviert hatte, starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren.
    »Ich sagte, wir kapitulieren«, wiederholte Almaro eindringlich.
    »Aber Senõr Capitán! Das kann unmöglich Euer Ernst sein …«
    »Habt Ihr einen besseren Vorschlag, Senõr? Könnt Ihr mir verraten, wie ich die Santa Esmeralda durch das Feuer von einem Dutzend Sechspfündern steuern soll? Dies ist kein Kriegsschiff, Senõr, einem solchen Beschuss haben wir nichts entgegenzusetzen.«
    »Aber wir wissen noch nicht einmal, ob die Piraten tatsächlich über Sechspfünder verfügen! Noch haben sie kein einziges ihrer Geschütze ausgefahren. Möglicherweise wollen sie uns auch nur täuschen.«
    »Und auf diese Vermutung hin wollt Ihr das Leben der gesamten Besatzung aufs Spiel setzen?« Almaro blickte ihn durchdringend an. »Im Kampf hätten wir nicht die geringste Chance, und ihren Feinden gewähren die Piraten kein Pardon. Wer von der Mannschaft Glück hat, der wird in die Sklaverei verkauft. Die Offiziere und Unterführer jedoch pflegen sie über die Planke zu schicken. Verspürt Ihr ein Verlangen danach, bei lebendigem Leibvon Haien gefressen zu werden? Wollt Ihr Euer Leben wegwerfen wegen einer Ladung Silbers?«
    »N-nein, Senõr Capitán«, erwiderte der Maestre und senkte eingeschüchtert das Haupt. Dann wies er den guardián 9 an, das verlangte Signal zu geben. Vom Hüttendeck aus schwenkte der Maat die entsprechenden Flaggen. Almaro fühlte sich, als werde ihm alles genommen, sein Schiff und sein Stolz. Ihm war klar, dass er sich und seine Leute in die Hände von Männern befahl, die weder Rücksicht noch Mitleid kannten – aber hatte er denn eine andere Wahl?
    Einen Waffengang mit den Piraten würden seine Leute und er nicht überleben; so bestand wenigstens die Möglichkeit, dass sie geschont wurden. Wenn nicht, würden seine Frau und seine Kinder vermutlich nie erfahren, was mit ihm geschehen war. Vielleicht, dachte er, würden sie sich damit trösten, dass er bis zum letzten Augenblick tapfer gekämpft hatte, um sein Leben und seine Ladung zu verteidigen. Die Wirklichkeit sah freilich anders aus. Almaro merkte, dass seine Hosen nass geworden waren, aber in der allgemeinen Aufregung fiel es niemandem auf.
    Die Piraten bestätigten das Signal, und um den Spaniern klar zu machen, dass sie nicht spaßten, wurde eines der Deckgeschütze ausgefahren und Feuer gegeben. Das Geschoss schlug

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