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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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über sie zu Ohren gekommen ist, würde Euch das Blut in den Adern gerinnen.«
    »Tatsächlich?« Elena verspürte drängende Neugier. »O bitte, Carmenita, erzähle mir von ihnen.«
    »Bitte zwingt mich nicht dazu, Herrin. Ich möchte nicht schuld daran sein, wenn grässliche Albträume Euch den Schlaf rauben.«
    »Dann entbinde ich dich von vornherein von jeder Schuld«, erwiderte Elena trotzig. Obwohl ihr Haar noch nicht ganz gekämmt war, stand sie auf und ging zu Bett, legte sich auf die weichen Kissen. »Und jetzt«, sagte sie, »befehle ich dir, mir zu erzählen, was du über die Piraten weißt. Ich bin schließlich kein unmündiges Kind mehr, dem man die Wahrheit vorenthalten muss, um es nicht zu ängstigen. Ich muss über alles informiert sein, wenn ich meinem Vater bei der Erfüllung seiner Aufgaben behilflich sein soll.«
    »Nun gut«, erklärte sich die Zofe bereit und setzte sich auf den Hocker am Fußende des Bettes. »Was wünscht Ihr zu erfahren?«
    »Alles«, erklärte Elena kurzerhand. »Wer sind diese Piraten? Woher kommen sie?«
    »Es sind finstere Gesellen, Doña Elena. Aus allen Teilen der Welt strömen sie zusammen, um in diesen Gewässern aufKaperfahrt zu gehen. In ihrer Gier nach Blut und Gold haben sie sich miteinander verbrüdert und ihre Seelen dem Teufel verschrieben. Wie Geister kommen sie aus dem Nichts und überfallen unsere Schiffe, und wer von der Besatzung in ihre Hände fällt, der hat keine Gnade zu erwarten.«
    »Was fangen die Piraten mit ihnen an?«, wollte Elena wissen, während sich ihre Hände nervös in die Bettdecke krallten.
    »Nur Sklaven und gefangene Verbrecher pflegen sie zu schonen – alle anderen werden grausam getötet«, wusste Carmenita mit Verschwörerstimme zu berichten. »Die Piraten kennen vielerlei Art, jemanden vom Leben in den Tod zu befördern. Im Kampf zu sterben, ist noch das gnädigste Schicksal, das ein Seemann erhoffen darf. Manche werden von den Piraten an der Rah des Großmasts aufgehängt, andere über Bord geworfen, damit sie bei lebendigem Leib von Haien gefressen werden – ein blutiges Schauspiel, an dem die Räuber der See sich gerne weiden. Wieder andere lassen sie kielholen.«
    »Kielholen? Was ist das?«, wollte Elena wissen, obwohl die Ausführungen ihrer Zofe sie mehr in Aufregung versetzten, als sie zugeben wollte.
    »Dazu wird man gefesselt und an ein langes Seil gebunden, an dem man an der Unterseite eines Schiffes entlanggezogen wird, vom Heck bis zum Bug. Hat man das zweifelhafte Glück, dabei nicht zu ertrinken, wird das grausame Spiel wiederholt, bis man es endlich hinter sich hat.«
    »Ich verstehe …«
    »Es gibt auch Piraten, die sich mit Trophäen ihrer Opfer schmücken«, fuhr die Zofe eifrig fort, »gerade, als ob es erlegte Tiere wären.«
    »Sie schmücken sich mit Trophäen?« Elena war blass geworden.
    »Gewiss. Einige begnügen sich damit, ihren Opfern einzelne Gliedmaßen abzuschneiden. Andere bedienen sich heidnischer Methoden und trennen ihren Gefangenen die Kopfhaut vom Schädel. Wieder andere sind in der Lage, die Köpfe ihrer armen Opfer so zu behandeln, dass sie auf winzige Größe schrumpfen und …«
    »Genug!«, verlangte Elena entsetzt. »So genau wollte ich es nicht wissen.«
    »Verzeiht, Herrin, ich wollte Euch nicht ängstigen. Aber versteht Ihr jetzt, warum Ihr das Wort ›Piraten‹ nicht leichtfertig in den Mund nehmen solltet?«
    Elena nickte nur. Bislang hatte sie sich keine rechte Vorstellung von den Seeräubern gemacht. Natürlich hatte sie gewusst, dass Piraten gemeine Räuber waren, die plündernd und mordend umherzogen und sich nahmen, was ihnen nicht gehörte – aber erst jetzt war ihr wirklich klar geworden, weshalb man diese Barbaren auch als Wölfe der See bezeichnete, als Geißel der Karibik …
    »Kann ich sonst noch etwas für Euch tun, Doña Elena?«, fragte die Zofe mit unverbindlichem Lächeln, als wäre nichts gewesen.
    »Nein, danke, ich habe alles, was ich brauche.«
    »Dann wünsche ich Euch eine gute Nacht, Doña Elena. Schlaft wohl und träumt etwas Schönes. Denkt daran, dass bald Euer Geburtstag ist.«
    »Ich will es versuchen«, gab Elena zurück und nahm sich die besten Vorsätze, an bunte Kleider und hell erleuchtete Ballsäle zu denken, während ihre Zofe das Gemach verließ. Kaum waren die Kerzen jedoch erloschen, kehrten unwillkürlich die Schreckensbilder aus Carmenitas lebhafter Schilderung zurück: von blutrünstig aussehenden Gestalten, die ihre Messer wetzten, und

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