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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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viel Schweiß und Tränen gelassen hatte. Wie oft war er den Passweg am Morgen hinaufgegangen, ohne zu wissen, ob er ihn am Abend auch wieder bewältigen würde! Und wie oft war er der Verzweiflung so nahe gewesen,dass er erwogen hatte, sich mitsamt dem Silber auf dem Rücken in den Abgrund zu stürzen!
    Nun wieder hier zu sein, wenn auch nicht als Sklave, sondern als freier Mann, warf hässliche Erinnerungen auf, und Jim schalt sich einen Narren dafür, dass er Nicks selbstmörderischem Plan zugestimmt hatte. Andererseits wusste er nur zu gut, dass sein Freund Recht hatte. Es war ihre Pflicht, wenigstens den Versuch zu unternehmen, ihre Kameraden zu befreien; wenn er fehlschlug, würden sie es zumindest nicht lange bereuen müssen.
    »Wie weit noch?«, raunte McCabe ihm zu, der hinter ihm auf dem Pfad schlich, das Pulverfass auf der breiten Schulter.
    »Nicht mehr weit«, entgegnete Jim knapp. »Wir sind gleich da.«
    An steilen, moosbewachsenen Felsen vorbei beschrieb der Pfad eine letzte Kehre und fiel dann steil ab, dem Sklavendorf entgegen. Zwischen den Bäumen hindurch konnte Jim bereits Einzelheiten erkennen: den umgebenden Palisadenzaun, die schäbigen Hütten und Unterstände. Graues Mondlicht beschien das Lager und ließ es noch trister aussehen als bei Tage. Auf den Türmen, die das Eingangstor säumten, standen bewaffnete Posten – man hatte die Wachen wohl verstärkt, nachdem zwei Sklaven die Flucht gelungen war.
    Die Bukaniere verließen den Pfad und schlugen sich in die Büsche. Auf allen vieren pirschten sie voran und umrundeten das Dorf, um auf seine weniger gut bewachte Rückseite zu gelangen. Gut zwei Mannlängen hohe, glatt gehauene Palisaden begrenzten das Lager zu dieser Seite hin. Der Trupp hatte sein Ziel erreicht.
    Auf McCabes Zeichen verteilten sich die Männer entlang des Zauns in kleinen Gruppen. Dann, auf ein weiteres Signal, warfen sie ihre Enterhaken und kletterten lautlos an den Seilen empor, die Messer zwischen den Zähnen, um sie notfalls rasch zur Handzu haben. Jim war der Erste, der den Palisadenkamm erklomm. Vorsichtig lugte er auf die andere Seite. Der Anblick der schäbigen Hütten und Unterstände versetzte ihm einen Stich ins Herz. Wachen waren hier keine zu sehen, sodass Jim den Zaun überwand und sich auf der anderen Seite in die Tiefe fallen ließ.
    Federnd kam er auf und verharrte einen Augenblick lang reglos. Erst als er sicher sein konnte, dass er nicht gesehen worden war, sprang er auf und flüchtete sich in den Schatten der nächsten Hütte. Von dort aus blickte er sich weiter um – noch immer zeigte sich kein Wächter.
    Jim gab das verabredete Zeichen, und die übrigen Bukaniere überwanden die Barriere. Einer nach dem anderen landete auf dem weichen Boden und suchte augenblicklich Deckung. McCabe, der noch immer das Fass mit dem Pulver trug, gesellte sich zu Jim, ein verwegenes Grinsen in dem wettergegerbten Gesicht.
    »Arh«, meinte er, »bis hierher war’s einfach.«
    »Freu dich nicht zu früh. Mit den Aufsehern ist nicht zu spaßen.«
    »Mit mir ebenfalls nicht«, erwiderte der Schotte achselzuckend und wollte weiter – als er die beiden Gestalten gewahrte, welche die Gasse zwischen den Hütten herunterkamen.
    Es waren zwei Aufseher in abgetragenen Uniformen, die sich lauthals lachend miteinander unterhielten, gerade so, als gäbe es all das Elend um sie herum nicht. Ihre Gesichter konnte Jim in der Dunkelheit nicht sehen, aber er erkannte ihre Stimmen. Die beiden hatten zum engsten Kreis des Blutegels gehört – brutale Kerle, denen es höchstes Vergnügen bereitete, andere zu quälen und zu demütigen. Das Messer in der Hand des Afrikaners zuckte. Einem inneren Drang folgend, wollte er sich auf die beiden stürzen, um ihnen endlich heimzuzahlen, was sie ihm und den anderen angetan hatten. Doch McCabes Pranke hielt ihn zurück.
    »Lass es, Laddie«, flüsterte der Schotte und gab Demetrios, der sich auf der anderen Seite der Gasse versteckte, einen Wink.
    Der Grieche nickte, und die Bukaniere verharrten lautlos, während sich die beiden Aufseher näherten. Einer der beiden trug eine Laterne, der andere eine schwere Hellebarde, deren breites Blatt einen Schädel mühelos zu spalten vermochte.
    Unvermittelt zuckte der Hellebardenträger zusammen, ein Messergriff ragte aus seiner Brust. Der Mann ließ seine Waffe fallen und sank nieder, zum Entsetzen seines Kumpanen, der auf die Schnelle nicht begriff, was geschehen war.
    »Que pasa?« , hörte Jim den

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