Die Erben der Schwarzen Flagge
und Mündungsfeuer blitzte, aber Nick hatte keine Zeit, sich um seine Gefährten zu kümmern. Sie würden selbst sehen müssen, wo sie blieben – er hatte eine Mission zu erfüllen.
Rasch nahm er Helm und Harnisch ab, die ihm beim Klettern nur hinderlich sein würden. Dann entrollte er das Seil, das er über der Schulter trug, trat einen Schritt zurück und blickte am Palast empor. Auf halber Höhe wurde das mehrstöckige Gebäude von einem Vorsprung umlaufen, der gerade breit genug, war, dass ein Mann darauf stehen konnte – dort hinauf musste er.
Zweimal schwang Nick den Haken, dann warf er ihn. Mit hellem Klang verfing sich das Metall im Gestein. Nick zog einmal kurz daran, um den Halt zu prüfen, dann kletterte er empor. Während aus dem Hof weiter Geschrei drang und vereinzelte Schüsse fielen, erklomm er den Vorsprung und zog sich hinauf. Einen Atemzug lang verharrte er kauernd, dann raffte er sich auf und schlich vorsichtig weiter, den Rücken eng ans Mauerwerk gepresst. Als von unten plötzlich Schritte erklangen, erstarrte er und hielt den Atem an in der Hoffnung, dass er nicht entdeckt würde.
» Sargento, was ist hier los?«, hörte er jemanden bellen.
»Senõr Teniente, es sind Eindringlinge in der Festung!«
»Eindringlinge?«
» Si, Senõr Teniente. Sie haben die Torwachen getötet und halten sich hier irgendwo verborgen.«
»Findet sie«, forderte der Offizier. »Ich will dem Conde nicht unter die Augen treten und ihm sagen müssen, dass wir die Festung in seiner Abwesenheit schlecht bewacht haben …«
Nick fühlte Enttäuschung in sich aufsteigen.
Navarro hielt sich also nicht in seinem Palast auf und bekam folglich gar nicht mit, was hier vor sich ging. Nun, dachte Nick, dann würde er ihm eben eine Nachricht hinterlassen …
Bald darauf konnte er die Soldaten sehen. Unterhalb der Stelle, wo er stand, gingen sie vorüber; sie waren so nah, dass er auf ihre Helme hätte spucken können. Nick verhielt sich völlig still – wenn er jetzt entdeckt wurde, war sein kühnes Vorhaben zu Ende, noch ehe es richtig begonnen hatte.
Plötzlich rieselte es unter seinen Füßen – der Vorsprung, dessen Gestein weich und brüchig war von der feuchten Luft, gab unter seinem Gewicht nach.
Einer der Soldaten blieb stehen und wandte sich misstrauisch um. Einen Augenblick lang fürchtete Nick, es wäre um ihn geschehen. Aber der Spanier kam nicht auf den Gedanken, nach oben zu blicken, und so sah er nichts, was seinen Argwohn erregt hätte. Er lief weiter – und Nick atmete auf.
Vorsichtig setzte er seinen Weg fort, ehe das Mauerwerk vollends unter ihm nachgab. Als ein von steinernem Geländer umgebener Balkon in Reichweite kam, sprang Nick in die Höhe, bekam den Rand der Balustrade zu fassen und zog sich daran empor.
Einige Augenblicke lang baumelten seine Beine ohne Halt in der Luft, dann hatte er sich so weit hinaufgezogen, dass seine Füße wieder Tritt fassten, und im Nu hatte er das Geländer überwunden. Durch die schmale, gläserne Tür konnte er einen langen, von Kerzen beleuchteten Korridor sehen. Kurzerhand zückte er sein Messer und brach das Schloss auf.
Knarrend schwang die Tür auf. Er sprang hinein und wäre um ein Haar auf dem blank polierten Boden ausgeglitten. Die Pistole in der Hand, huschte Nick den Gang hinab – und liefunvermittelt einem ältlich aussehenden Spanier in die Arme, dessen Haar ergraut war und der einen geckenhaft roten Rock trug.
»Keinen Laut«, schärfte Nick ihm ein und hielt ihm den Lauf der Pistole vor die Brust.
»G-Gnade, Herr«, stammelte der Spanier und wurde kreidebleich. »Mein Name ist José Bivaro, ich bin kein Soldat, sondern nur ein harmloser Sekretär …«
»Dann weißt du sicher, wo Doña Elena zu finden ist«, folgerte Nick, worauf der Spanier ein verkniffenes Gesicht machte und beharrlich den Kopf schüttelte.
»Willst du behaupten, du wüsstest es nicht?«, zischte Nick. »Rede, Mann, oder ich werde abdrücken. Danach wird man den Mond durch deinen Brustkorb scheinen sehen.«
Das schien den Sekretär zu überzeugen. »Oben«, krächzte er kläglich. »Das Gemach der Doña befindet sich im obersten Stockwerk. Es ist die letzte Tür auf der linken Seite. Ihr könnt es nicht verfehlen …«
»Gracias« , bedankte sich Nick mit freudlosem Grinsen, ehe er den Mann mit dem Pistolenknauf bewusstlos schlug.
Er fing den Ohnmächtigen auf und legte ihn auf den Boden, damit er kein Geräusch verursachte. Dann eilte er weiter den Gang hinab, bis
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