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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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hat, obwohl es ihm verboten war.«
    »Meine Anerkennung«, sagte Nick. »Euer Gedächtnis scheint besser zu sein als Euer Herz.«
    »Und das sagt ausgerechnet Ihr mir?« Sie lachte spöttisch auf »Jetzt erinnere ich mich genau. Ich habe Euch … dich an jenem Tag vor der Peitsche bewahrt.«
    »Das habt Ihr.«
    »Und so erweist du mir deinen Dank, Sklave?«
    Ihr Tonfall hatte etwas so Herrisches, dass Nick sogleich in Rage geriet. Er hatte das Gefühl, Elenas Vater aus ihremMunde sprechen zu hören, und fragte sich, wie diese Frau ihn jemals in ihren Bann hatte schlagen können. Aber selbst jetzt noch, als sich alles in ihm gegen ihre Überheblichkeit und ihren Stolz empörte, konnte er nicht anders, als von ihrer Schönheit fasziniert zu sein – und von ihrem Mut…
    »Ihr macht es Euch sehr einfach«, sagte er und zwang sich dabei zur Ruhe – seiner Wut freien Lauf zu lassen, hätte ihre Vorurteile nur bestätigt. »In Eurer Welt sind die Mächtigen immer im Recht. Sie beuten die Wehrlosen aus und sitzen zu Gericht über jene, die nichts besitzen. Ist das Eure Vorstellung von gerechter Herrschaft, Mylady?«
    »Wie anmaßend du bist! Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen? Ich bin die Tochter des Conde!«
    »Ich weiß durchaus, wer du bist«, erwiderte Nick und verfiel gleichermaßen ins Du – eine Unverschämtheit, die ihn in Maracaibo das Leben gekostet hätte. »Aber ich denke nicht, dass deine vornehme Abstammung dich zu einem wertvolleren Menschen macht. In jenem Sklavenlager in Maracaibo habe ich viele sterben sehen – Männer, die niemandem etwas zuleide getan hatten und deren einziges Verbrechen darin bestand, kein Spanier zu sein.«
    »Du weißt nicht, was du sagst! Im Lager von Maracaibo befinden sich ohne Ausnahme Diebe und Mörder. Piraten, wie ihr welche seid.«
    »Ach ja? Ehe ich nach Maracaibo kam, war ich ein einfacher Schiffsjunge, der nichts anderes wollte, als in Begleitung seines Vaters um die Welt zu segeln – zum Piraten haben mich erst die Fesseln deines Vaters gemacht. Niemand ist von Geburt an gut oder schlecht – es sind unsere Taten, die uns dazu machen.«
    »Und dir die Peitsche zu ersparen war keine gute Tat?«, fragte Elena keck.
    »Nicht die Tat allein zählt«, entgegnete Nick, »sondern auch die Beweggründe dafür. Ich erinnere mich noch gut, wie du deinem Vater erklärtest, dass du seinen Besitz nicht schmälern wolltest. Dass ich noch jung sei und noch viele Säcke tragen könnte … Ich erinnere mich an jedes einzelne Wort. Du hast mir die Peitsche nicht aus Mitleid erspart, sondern weil du deinem Vater schmeicheln wolltest.«
    Die Tochter des Conde wusste nicht, was sie darauf erwidern sollte. Wütend wandte sie sich ab und starrte wieder durch das Glas der Heckgalerie. Der letzte Streifen von Land war inzwischen am Horizont verschwunden – und damit auch jede Hoffnung.
    »Dennoch«, sagte sie leise, »habe ich dir die Peitsche oder noch Schlimmeres erspart.«
    »Das hast du«, erwiderte er bitter. »Aber manchmal ist die Schande eine größere Strafe als die Peitsche oder der Tod. Ein verwöhntes Mädchen wie du wird das wohl nie verstehen.«
    Sie wandte sich ihm wieder zu, und zu seiner Überraschung waren ihre Augen von Tränen gerötet. »Täusche dich nicht«, sagte sie leise. »Die Gefangene eines Sklaven zu sein, ist eine Schande, der ich den Tod jederzeit vorziehen würde.«
    »Aus dir spricht Stolz. Der Stolz einer Adligen, für die wir weniger wert sind als der Schmutz unter ihren Nägeln.«
    »Und aus dir spricht maßloser Hass auf meinen Vater. Dabei ist er ein Mann von Ehre, während du nichts bist als ein gemeiner Dieb, der sich an wehrlosen Frauen vergreift.«
    Nick wollte etwas erwidern, aber er ließ es bleiben. Was sollte er der Tochter seines Erzfeindes Dinge erklären, die sie doch nicht verstand? Sie war eine Dame aus adligem Hause, er in einem Sklavenlager aufgewachsen. Wie konnte er erwarten, dass sie auch nur annähernd begriff, was ihn bewegte?
    »Denk, was du willst, reiche Göre«, sagte er. Dann trat er beiseite und gab den Blick auf den Zuber frei, den seine Leute inzwischen gefüllt hatten. Dazu lag auf dem Kartentisch ein mit Rüschen besetztes rotes Samtkleid, wie es von spanischen Damen getragen wurde. Nick hatte es in den Laderäumen der Santa Esmeralda entdeckt.
    »Was soll das?«, fragte Elena verdutzt.
    »Ich dachte mir, dass du gern ein Bad nehmen und etwas anderes anziehen würdest«, antwortete Nick. »Pflegen vornehme Frauen es

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