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Die Erben der Schwarzen Flagge

Die Erben der Schwarzen Flagge

Titel: Die Erben der Schwarzen Flagge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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auch blicke, sehe ich nichts als Räuber und Diebe.«
    »Weil Ihr nur das seht, was Ihr sehen wollt«, konterte Nick. »Ich hingegen habe die meisten dieser Männer kennen gelernt und weiß, was sie bewegt. Nach Jahren der Gefangenschaft sind sie zum ersten Mal wieder frei und schöpfen Hoffnung.«
    »Hoffnung.« Elena lachte höhnisch auf. »Meinem Vater wirfst du vor, ein Sklavenhalter zu sein, in Wahrheit jedoch bist du derjenige, der Menschen versklavt. Ich weiß, wie Piraten ihresgleichen rekrutieren. Jenen dort wurde nur unter einer Bedingungdie Freiheit geschenkt – dass sie dir auf deinen Raubzügen folgen und ohne Skrupel plündern und morden.«
    »Glaubt Ihr das wirklich?«
    »Allerdings.«
    »Dann passt gut auf«, murmelte Nick und wandte sich dem Oberdeck zu. »Männer!«, rief er mit lauter Stimme, worauf sich aller Blicke auf ihn richteten. »Ihr wisst, dass wir Kurs auf Tortuga genommen haben.«
    »Aye, Käpt’n«, scholl es zurück.
    »Dann hört mir jetzt gut zu. Eure Zeit als Gefangene ist unwiderruflich vorbei. Sobald wir Tortuga erreicht haben, seid ihr frei und könnt gehen, wohin ihr wollt. Habt ihr das verstanden?«
    Zweifelnde Blicke starrten ihn an, dazu vor Staunen offene Münder.
    »Aye, Käpt’n«, sagte einer von ihnen schließlich, ein Holländer mit kahlem Schädel und fast zahnlosem Mund. »Aber sagtet Ihr nicht, dass wir bei Euch bleiben dürfen?«
    »Das ist richtig. Aber ich will niemanden zwingen. Wer gehen will, kann gehen.«
    »Wohin, Sir? Es gibt keinen Ort, an den wir gehen könnten. Die Spanier haben uns alles genommen. Ihr hingegen habt uns die Freiheit geschenkt, und dafür werden wir Euch folgen. Nicht wahr, Freunde?«
    Zustimmendes Gebrüll erhob sich von Seiten der Sklaven, in das auch die Bukaniere mit einfielen. Nick wandte sich um und schickte Doña Elena einen viel sagenden Blick, worauf sie errötend zu Boden blickte.
    »Vielleicht«, sagte sie leise, »war ich ein wenig vorschnell in meinem Urteil.«
    »Vielleicht«, erwiderte Nick nur, und unter dem Jubel seiner Leute stieg er hinab aufs Oberdeck.
    Elena blickte ihm nach und ertappte sich dabei, dass sie ein wenig Bewunderung für ihn empfand – und das, obwohl er ein entlaufener Sklave war und ein ehrloser Verbrecher, der Abschaum der Menschheit.
    Aber wenn der Tochter des Conde auch die Vergleichsmöglichkeiten fehlten, war ihr doch klar, dass Nick Flanagan kein gewöhnlicher Pirat war. Er hatte etwas an sich, das sie beeindruckte, so sehr sie sich auch dagegen wehrte. Weder benahm er sich wie ein Sklave, noch sprach er wie ein Dieb und Mörder. Er strahlte Stolz und Selbstvertrauen aus, wurde von seinen Männern geliebt und geachtet. Elena hätte fast den Eindruck gewinnen können, es mit einem Mann von vornehmer Herkunft zu tun zu haben – wären da nicht seine derbe Kleidung und der pigtail 15 gewesen, den er im Nacken trug und der das Kennzeichen der Seemannszunft war.
    Davon abgesehen, fand Elena ihn auf eine Weise gut aussehend, wie es sich für eine Dame eigentlich nicht geziemte. Seine sonnengebräunten Züge, das kurze dunkle Haar und die Augen, die die tiefblaue Farbe des Meeres besaßen, unterschieden ihn grundlegend von den gepuderten und parfümierten Zeitgenossen, denen sie in Madrid von ihrer Mutter vorgestellt worden war. Nick Flanagan mochte ein Dieb sein und ein Tölpel, aber – und es kostete Elena einige Überwindung, sich dies einzugestehen – er faszinierte sie auf eine Weise, wie es noch kein Mann vor ihm getan hatte. Vielleicht, weil er nicht vor ihr buckelte, wie es die vornehmen jungen Herren bei Hofe getan hatten.
    Der junge Kapitän weckte ihre Neugier und Abenteuerlust – aber das änderte nichts daran, dass er ein Pirat war und ein schändlicher Verbrecher. Und dass ihr Vater ihn im Hafen von Maracaibo hängen lassen würde, sobald er seiner habhaftgeworden wäre. Und wenn es so weit wäre, würde Elena de Navarro zufrieden lächelnd dabeistehen.
    Diesmal, das schwor sie sich, würde sie Nick Flanagan den Strick des Henkers nicht ersparen …
     
     
     
    Nick stand vorn an der Back und sah zu, wie der Bug der Seadragon durch die Wellen schnitt, Tortuga entgegen. Der Anblick beruhigte ihn ein wenig. Elena de Navarro hatte etwas an sich, das ihn von einem Augenblick zum anderen die Fassung verlieren ließ, und es fiel ihm zunehmend schwerer, sie zurückzugewinnen.
    »Wütend?«, fragte ihn jemand von der Seite.
    Pater O’Rorke war zu ihm getreten. Der Ordensmann schien ein

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