Die Erben der Schwarzen Flagge
verließ den Saal, während die Dienerinnen die Fackeln löschten und die Spuren der Zeremonie beseitigten. Das Ritual war zu Ende, und Damian, der ihm schon zu oft beigewohnt hatte, um noch verwundert zu sein, trat vor.
»Ich grüße Euch, Vater.«
»Damian«, keuchte der feiste Mann. Ein Flackern erhellte sein verbliebenes Auge. »Du bist zurück?«
»Wie du siehst.«
»Und? Wie sind die Verhandlungen mit Navarro verlaufen? Was will der eitle Pfau von uns?«
Damian machte eine wegwerfende Handbewegung. »Er will, dass wir jemanden für ihn finden und aus der Welt schaffen.«
Bricassarts Rubinauge schien in dunkler Glut zu leuchten. »Wen?«, wollte er wissen.
»Einen gewissen Nick Flanagan – ein unbedeutender Pirat, der einen von Navarros Silbertransporten abgefangen und geplündert hat.«
»Nick Flanagan?«
»Diesen Namen nannte er.«
»Seltsam, dass wir noch nie von diesem Flanagan gehört haben.«
»Weshalb? Was kann schon mit ihm sein? Vor einem dahergelaufenen Seeräuber brauchen wir uns gewiss nicht zu fürchten.«
»Damian«, knurrte der alte Bricassart, »du bist mein eigen Fleisch und Blut, deshalb liebe ich dich – aber du bist auch ein dämlicher Hund. Hast du die Regeln dieses Spiels denn noch immer nicht begriffen? Unter allen Raubtieren, die die Karibik auf der Suche nach Beute durchstreifen, gibt es solche, die sich wie Hyänen verstecken und sich mit dem begnügen, was andere ihnen übrig lassen. Und es gibt Löwen, die den Mut besitzen, selbst auf Beutezug zu gehen. Wenn es diesem Flanagan gelungen ist, ein Silberschiff abzufangen, dann ist er keineswegs so unbedeutend, wie der Graf uns glauben machen will.«
»Navarro sagt, Flanagans Raubzüge förderten die Gefahr der Entdeckung. Wenn herauskommt, dass er es war, der uns die Routen der Silbertransporte zugespielt hat, ist nicht nur sein Spiel zu Ende, sondern auch unseres. So jedenfalls soll ich es dir bestellen.«
Bricassart lachte, dass sein Fleischberg ins Wanken geriet. »Soll das heißen, er droht mir? Wagt diese elende Ratte es tatsächlich, mir, dem Herrscher von Port Royal, Anweisungen zu erteilen?«
»Allerdings, Vater. Und ich frage mich, weshalb wir uns das gefallen lassen. Gib mir nur drei Schiffe, und ich überfalle Maracaibo und mache es dem Erdboden gleich. Ich werde dafür sorgen, dass dort nicht ein Stein auf dem anderen bleibt und niemand es mehr wagt, dich und deine Macht in Frage zu …«
»Schweig, du Narr«, fuhr Bricassart ihn an. »Wir können Maracaibo nicht dem Erdboden gleichmachen – noch nicht.«
»Warum nicht, Vater?«
»Weil wir Navarro brauchen, deshalb.«
»Wozu, Vater? Gewiss, er war uns in der Vergangenheitnützlich, aber was hindert uns daran, direkt nach Maracaibo zu gehen und uns zu nehmen, was wir begehren? Statt ein Schiff nach dem anderen zu kapern, könnten wir uns das ganze Silber auf einmal holen. Und wir brauchten es noch nicht einmal mit Navarro zu teilen.«
»Narr«, wiederholte der alte Bricassart. »Glaubst du denn, ich hätte vor, mit ihm zu teilen? Meine Pläne gehen weiter, Damian. Weiter, als du oder irgendein spanischer Graf es sich vorzustellen vermag.«
»Wie weit?«, wollte Damian wissen. Schon seit längerem hegte er den Verdacht, dass es seinem Vater um mehr ging als nur darum, sich Spaniens Silber unter den Nagel zu reißen. Der Alte führte etwas im Schilde, das war offensichtlich. Etwas, das er im Dunkel seines Domizils und mithilfe seines unheimlichen Beraters ausgebrütet hatte.
Der Commodore lachte wieder, und der kleinwüchsige Schamane fiel kreischend in das Gelächter ein. Damian empfand Eifersucht; etwas drängte ihn, seinen Säbel zu zücken und das Gelächter des Zauberers in einem Blutschwall zu ersticken. Aber er hielt sich zurück, denn er wusste, dass der Zorn seines Vaters fürchterlich gewesen wäre. Damian musste wohl damit vorlieb nehmen, nur ein Gefolgsmann zu sein, während der Schamane in sämtliche Pläne eingeweiht war.
»Du willst es wissen?«, fragte der alte Bricassart unvermittelt. »Du willst wissen, was ich plane? Weshalb ich mich mit diesem Aasfresser Navarro verbündet habe?«
»Allerdings«, bekräftigte Damian. »Was hast du vor, Vater? Sag es mir, ich werde dich nach Kräften unterstützen.«
»Ich weiß, dass du das wirst«, versicherte der Commodore. Erneut begegnete sein Blick dem des Schamanen, und wieder lachten beide.
»Was ist es?«, fragte Damian ungeduldig. »Was planst du, das es rechtfertigt, mit einer Ratte wie
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