Die Erben des Terrors (German Edition)
siebzig. Zhang sah auf seine Uhr, es war kurz nach Neun. Er stieg in das erste Taxi, das vorbeikam, und ließ sich zum Fischereihafen bringen – mangels einer besseren Idee und wohl wissend, dass das Geld in seiner Notebooktasche für einen kleinen Fischer durchaus zehn Jahresgehälter sein könnten.
15. August 2013
25° 02’ 01.44” Nord, 121° 33’ 54.31” Ost
Taipei 101, Taibei, Republik China (Taiwan)
Im Starbucks in Taibei wurde Zhang immer noch schlecht, wenn er an die tag elange Überfahrt in dem kleinen, nach Fisch stinkenden und kontinuierlich schwankenden Kutter denken musste. Dank einer Filiale der ICBC in Taiwan war es auch dort nicht weiter schwierig, an Geld zu kommen, und in einer etwas schäbigen Gegend westlich der Innenstadt von Taibei, aber nahe an einer U-Bahn-Station, fand er bei einer netten alten Dame ein kleines, sauberes Appartement.
Nachdem er erst mal zwei Tage geschlafen hatte, besorgte er eine neue Sim-Karte für sein Notebook und fing mit seiner Recherche nach dem an, was passiert war. Wie zu erwarten, hatte das MSS seinen Zugang gesperrt. Aber nachdem er auch dieses System programmiert hatte, war es nur eine Frage der Zeit, bis er wieder Zugang hatte. Er verbrachte einen halben Tag damit, ein Programm zu schreiben, das versuchen sollte, eine von ihm aus Zeitgründen nicht behobene Sicherheitslücke auszunutzen. Eine kleine Uhr in der rechten oberen Ecke des Bildschirms zeigte ihm an, wie lange das Programm dafür noch brauchen würde – und an diesem Morgen hatte die Uhr eine Woche verloren und war auf null gesprungen – die Hintertür zur Datenbank des MSS war offen.
Zhang nahm an, dass er nicht mehr als zehn oder fünfzehn Minuten hatte, bis MSS-Agenten ihn hier in Taiwan finden würden, sobald er die Verbindung öffnete. Insofern wollte er an einem öffentlichen Ort mit vielen Möglichkeiten sein, irgendwo, wo es schwierig sein würde, ihn schnell zu finden, zu verfolgen oder gar festzunehmen – oder eher zu entführen, das war hier schließlich kein chinesisches Staatsgebiet. So lange würde er nicht brauchen, hatte er beschlossen. Zehn Minuten und alles wäre erledigt. Hoffte er zumindest.
Zur gleichen Zeit
15° 48’ 30.12” Nord, 61° 37’ 33.15” West
Zwischen Dominica und Guadeloupe, karibische See.
„Schau, und schon kannst du die Leinen alle benennen“, sagte Dreyer, mehr lobend als spöttisch.
„Pah!“ sagte sie.
Dreyer sah sich um und sah in etwa drei, vier Seemeilen Entfernung ein großes Schiff steuerbord voraus. Er griff in die Tasche unter dem Cockpittisch und nahm sein Fernglas heraus. Er sah ein schönes, großes, graues Kriegsschiff mit einer riesigen amerikanischen Flagge am Heck.
„Was denn?“, fragte Elena.
Er gab ihr das Fernglas und zeigte in Richtung des Schiffes. „Hui, ein Kriegsschiff!“, sagte sie.
„Ja, aber das ist nicht das Interessante… die sind im Hafen viel beeindruckender. Interessant ist… soll ich dir noch was erklären?“
„Klar!“, sagte sie, dachte kurz nach und verbesserte sich: „Natürlich!“
Beide lachten.
„Das Schiff kommt von Steuerbord, das ist gerade Osten. Und es fährt nach…?“
„Links?“
„Ja, und das ist…“
„ Westen?“
„Genau. Und wir fahren von …“
„Süden nach Norden!“ – das hatte sie sich gemerkt.
„Richtig. Und deswegen kreuzen sich unser Kurs und der von dem großen Mil itärschiff.“
Elena sah ihn skeptisch an. „Aber wir stoßen doch nicht zusammen?“
„Nein, die schießen uns sicher vorher ab – von allem, was die wissen, könnte unser Boot randvoll mit Sprengstoff sein und wir sind irgendwelche Terroristen.“
Elena wirkte unruhig. Dreyer setzte fort, um sie zu beruhigen: „Nein, wir tre ffen die frühestens in einer halben Stunde. Und ob wir dann überhaupt noch in ihrer Nähe sind, das wissen wir in zehn.“
„Wie das?“
„Schau nochmal durch das Fernglas, da steht unten der Kompasskurs, wenn du das andere Schiff in der Mitte hast.“
Elena sah nochmals durch das Fernglas. „Einundzwanzig – fünfzehn – fünfundzwanzig – das schwankt!“
„Is nicht so schlimm, merk dir die Zwanzig. Es geht ja nur um etwa.“
„Es reicht, wenn wir etwa nicht zusammenstoßen?“
„Nein, wir müssen was machen, wenn wir etwa zusammenstoßen.“
„Und stoßen wir jetzt zusammen?“
„Weiß ich nicht, warte zehn Minuten. Vorher noch die einfache Methode, für Leute ohne coole Ferngläser. Setzt dich mal neben mich.“
Elena stieg von
Weitere Kostenlose Bücher