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Die Erben des Terrors (German Edition)

Die Erben des Terrors (German Edition)

Titel: Die Erben des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes C. Kerner
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angeflogen kommt, war auch das High-Tech-Material machtlos. Es hatte den Aufprall zwar gedämpft, war aber durch die Reibungshitze angeschmolzen, sodass es an Sutters Wunde klebte.
    Wäre er nicht in Pakistan, sondern in einem der umliegenden nicht-islamischen Staaten , Indien oder China, er hätte irgendwo einen billigen Schnaps zum Desinfizieren gefunden. Hier hingegen gab es nur Tee, der sein Schulterproblem nicht lösen konnte. In Afghanistan, wohin er nach seinem ursprünglichen Plan wollte, würde er auch keinen Alkohol bekommen. Und in eine Apotheke und nach Jod fragen? Viel zu riskant. Eine Woche warten, bis er amerikanische oder britische Soldaten traf? Auch keine Alternative.
    Damit blieben Sutter zwei Möglichkeiten: Indien oder China. Beides war nicht ideal, aber er brauchte medizinische Versorgung, damit seine Schulter sich nicht schlimm infizierte – dass sie sich infizieren würde, war klar. Dumme, dumme, dumme Bürokraten, dachte er, ein Spezialanzug für mehrere Zehnta usend Dollar, dafür aber kein Medikit mehr. Man verletzt sich ja sowieso nicht mehr. Großartig.
    Zurück zum Plan: Er musste sich entscheiden. Fünfhundert Kilometer im Sü dosten lag Ludhiāna im Punjab-Teil Indiens, wo er sich wenigstens ein klein bisschen verständigen könnte. Dafür war der Flughafen dort sehr klein, und es gab nur einen Flug nach Delhi am Tag, wenn überhaupt. Sechshundert Kilometer nach Nordosten lag Kashen in China. Um dort hinzugelangen, müsste er aber durch Kashmir, quasi ein Kriegsgebiet „light“. Dafür müsste er nicht über die gut kontrollierte Pakistanisch-Indische Grenze, und nicht durch Lahore, wo es ebenfalls einen internationalen Flughafen gab.
    Nein, Lahore wirkte zu riskant . Im Radio der Bäckerei liefen Nachrichten, und auch wenn er nicht alles verstand, klang es nicht so, als wären die pakistanischen Offiziellen sehr erfreut über den Einsatz der Amerikaner letzte Nacht. Dann lieber nach Kashmir, dort hatten die Kontrolleure andere Probleme als irgendeinen Ausländer. Vor allem keinen Irren, beschloss er, als er einen jungen Mann auf einem sehr modernen Fahrrad ankommen sah.

04 . Mai 2011
36° 50’ 12.56” Nord, 75° 23’ 36.65” Ost
Kurz vor der Pakistanisch-Chinesischen Grenze, Himalaya-Gebirge
    Der T oyota Land Cruiser hatte trotz seines Baujahres in den frühen Neunzigern gehalten, was der Händler versprochen hatte. Für dreihunderttausend Rupien, ein schweres Bündel Geld im Wert von etwa viertausend Dollar, war das auch das Mindeste. Die verschneiten Straßen, wenn man die Asphaltreste- und Schotterpisten des Himalayas so bezeichnen möchte, hatten dem Wagen jedenfalls keine Probleme bereitet. Eigentlich schade um das Auto, dachte Sutter, und nahm das Fahrrad aus dem Kofferraum, dass er einen Tag zuvor dem jungen Mann in Abbotábád abgekauft hatte.
    Es war ein leichtes Mountainbike, fast ein Rennrad. Dazu passend hatte er sich einen Trekking-Rucksack mit einem oben hängenden Schlafsack und ein kleines Iglu-Faltzelt besorgt, das er am Fahrrad befestigte. Ibn Ladins Tasche stopfte er in den Rucksack, zu der wenigen Kleidung, die er dabeihatte.
    Er hoffte sehr , das Zelt nie benutzen zu müssen oder zumindest, dass es mehr wert war als die zweihundert Rupien, die er dafür bezahlt hatte. Es war aber nicht Zweck des Zeltes, Schutz vor dem Wetter zu bieten. Es war Zweck des Zeltes, pakistanische wie chinesische Grenzer davon zu überzeugen, dass er einer der verrückten Westler war, die mit dem Fahrrad durch den Himalaya fahren. Und obwohl Sutter das nur mit dem Auto gemacht hatte, konnte er sie verstehen – die Landschaften waren unvergleichlich. Der Nanga Parbat, den er vor einigen Stunden passiert hatte, war zwar nicht der höchste Berg der Welt. Dessen Bergpass war aber durchaus beeindruckend. Mehr als das, er war majestätisch. Er begann, ein wenig Verständnis für die Menschen zu entwickeln, die sich die ganze Strecke mit dem Fahrrad antun.
    Das Fahrrad, für das er die Unverschämtheit von umgerechnet vierhundert Dollar bezahlt hatte, war hoffentlich ebenso sein Geld wert. Er schloss den Kofferraum. Sein Spiegelbild in der Heckscheibe sah, trotz oder gerade wegen des schwarzen Anzugs, tatsächlich wie ein Profi-Biker aus, wenn man die klirrende Kälte berücksichtigte. Er nahm die Waffen aus seinem Rucksack und warf sie auf den Beifahrersitz. Er überlegte kurz, wie viele Pässe er bräuchte und beschloss, wenn er mehr als einen mitnähme, könne er gleich alle

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