Die Erben des Terrors (German Edition)
nicht selbst ihren Frieden haben würden.
Viel spannender für Murdalov war der Plan, den Chalid schilderte. Am Anfang klang es verrückt, als er sagte, er wollte ein Flugzeug entführen und damit in das Wahrzeichen des imperialistischen jüdisch-amerikanischen Kapitalismus fliegen. Es klang noch verrückter, als Muhammad erklärte, dass er dies mit gleich zwei Flugzeugen machen wollte.
Aber nur, wer große Pläne hat, kann auch Großes erreichen. Murdalov sagte daher halb scherzhaft, „warum nicht gleich vier?“, was schnell auf rege Zustimmung traf.
„Vier?“, hatte Muhammad zuerst eingewandt. „Aber das World Trade Center hat doch nur zwei Türme!“
Murdalov musste lachen, aber Ibn Ladin lachte nicht. Er dachte kurz nach und blickte dann ernst in die Augen von Murdalov: „Welche vier Objekte?“
Murdalov versuchte, seinen Schock darüber zu verbergen, dass sein Scherz ernst genommen wurde. Er fand den Plan immer noch irrsinnig. Aber wenn er bedachte, was sein eigener Plan war, dann war Irrsinn hier vielleicht Normalität. Er musste nur kurz nachdenken: „Hollywood“, begann er, was ihm sofort Gelächter der anderen Anwesenden einbrachte, schnell aber wieder abflaute, als den anderen klar wurde, dass es ihm jetzt ernst war.
„Hollywood“, setzte er fort , „zeigt das Weiße Haus als das Herz der amerikanischen Demokratie “. Er sprach Demokratie verächtlich aus wie Ibn Ladin vor einigen Stunden Rebellen und spuckte auf den Boden. Die anderen Männer taten es ihm gleich. „Diese so genannte Demokratie, die nichts weiter ist als eine Herrschaft der Christen und Juden über die Muslime…“ – die anderen nickten zustimmend – „diese Demokratie in den Augen des ach so demokratischen Volkes zu zerstören, sollte unser oberstes Ziel sein. Waren es zur Zeit des kalten Krieges fast immer Russen, die Amerika angegriffen haben, sind es jetzt Außerirdische.“
Auch in der arabischen Welt war Independence Day ein bekannter Film. Diesmal mussten alle lachen, auch Murdalov selbst.
„Und wenn wir den Amerikanern zeigen, dass nicht Außerirdische es sind, die sie zu fürchten haben, sondern die unterdrückten Muslime auf dieser unserer Erde, dann verstehen sie vielleicht endlich, was sie falsch machen.“
„Also ein drittes Flugzeug auf das Weiße Haus?“, fragte Muhammad eher rh etorisch, während man ihm sichtlich ansah, dass er schon begann, seinen Plan anzupassen.
„Das Weiße Haus ist das Symbol für den American Way of Life , wie die Amerikaner selbst so stolz proklamieren“, sagte Ibn Ladin ruhig. „Wenn wir also den amerikanisch-jüdischen Kapitalismus angreifen, symbolisiert durch das World Trade Center, dann ist der Angriff auf ihre Vorstellung von Gerechtigkeit in Form des Weißen Hauses nur gerechtfertigt. Und, Timur, wenn ich Sie hier unterbrechen darf, da ich Ihren Gedankengang gut nachvollziehen kann…“
Murdalov nickte zustimmend. Im Inneren war er für Ibn Ladins Fortführung des Plans sehr dankbar, da er eigentlich keinen tieferen Gedankengang gehabt hatte. Er hatte lediglich versucht, sich mit dem erstbesten halbwegs vernünftigen Gedanken über die Peinlichkeit eines unbedachten Scherzes hinwegzuretten. Ibn Ladin fuhr daher fort:
„Mit einem Angriff auf die Grundfeste der Amerikaner, ihren Lebensstil, den das Weiße Haus vertritt, und ihren imperialistischen Kapitalismus, den das World Trade Center verkörpert, ist es nur logisch, als viertes Ziel das Pentagon zu wählen. Das Pentagon, ein liebloser und kulturloser Betonklotz, aber das Symbol für die vorgegebene Weltmacht des amerikanischen Militärs.“
Mu rdalov nickte zustimmend, genau wie Muhammad und Az -Ẓ awahiri. Er trank einen Schluck Tee und dachte über die Konsequenzen nach, die das für seinen Plan hätte. In just diesem Moment öffnete der Dorfälteste, ein Mann Ende fünfzig mit dem für einen in der Wüste lebenden Mann typischen wettergegerbten Gesicht, langsam den Vorhang und fragte höflichst, ob er eintreten dürfte.
Der Name des turkmenischen Mannes war Sadzha Nurberdiyew, und als ihn Ibn Ladin hereingebeten hatte, folgte ihm zugleich die allen Anwesenden mittlerweile bekannte junge, attraktive Şemşat. Murdalov konnte nicht anders, als sie wieder anzusehen.
Der alte Mann erklärte, dass die Sonne gerade untergegangen sei und lud die Anwesenden ein, das Abendgebet zusammen mit den Dorfbewohnern durc hzuführen. Er lud seine Gäste zu einem Festmahl zu ihren Ehren ein, welches nach dem Gebet
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