Die Erben des Terrors (German Edition)
Boden“, dachte Dreyer laut, und nahm sich sofort ein Maßband, um seine Theorie zu bestätigen. Tatsächlich war der Safe außen zwanzig Ze ntimeter hoch, und sicherlich weitere fünf Zentimeter tief einlaminiert. Innen war er lediglich achtzehn Zentimeter hoch. Die Türe war zwei Zentimeter dick – bei gleicher Dicke der Rückwand fehlten also drei Zentimeter. Dreyer nahm sich eine Flasche Wasser aus dem Kühlfach und trank es in einem Zug aus, vornehmlich um auch nur den Ansatz von Rum aus seinem Kopf zu vertreiben. Jetzt wurde es spannend.
Mit seiner alten, aber zuverlässigen, in China billig hergestellten und in den USA teuer verkauften Hochleistungs-LED-Taschenlampe war es einfach, das winzige Loch in einer Ecke der Bodenplatte zu finden. Zwei Möglichkeiten, beschloss Dreyer: Entweder muss man es mit einem sehr stabilen Metallteil anheben, oder einfach etwas Festes hineinstecken und einen Auslöseknopf drücken. Beides Dinge, die Dreyer nicht gerade griffbereit hatte.
Er stand auf und begann, die Werkzeugkästen im Motorraum nach einem fe sten Stück Draht zu durchsuchen. Nach einer gefühlten Ewigkeit hatte er einen stabilen Kupferdraht gefunden, zehn Sekunden später abisoliert und führte den nicht allzu festen Draht in das Loch ein, hoffend, dass er nicht ziehen müsse – das würde der Draht nicht aushalten. Aber das war auch nicht nötig, Dreyer fühlte schnell einen Widerstand, und mit konstantem, festem Druck machte es nach wenigen Augenblicken „Klick“ und der Boden hob sich an einer Seite an. Dreyer strahlte wie ein Kind, das gerade einen Schokoriegel bekommen hat.
Er hob die dünne Metallplatte an und legte sie achtlos auf die Geldbündel. Die drei Briefumschläge, die er sah, waren etwas enttäuschend, aber darunter befand sich ein uralt wirkendes digitales Display und ein numerisches Eingabefeld, mit vier zusätzlichen Tasten mit wahrscheinlich russischen Buchstaben. Leider war es aus, weswegen sich Dreyer zuerst mit den Umschlägen beschäftigte.
Einer der Umschläge war rot, einer gelb und einer grün. Dreye r wählte nach diesen Farben aus. Der rote war sicher der wichtigste, und vor allem der interessanteste – er war noch geschlossen. Er beschloss, mit dem grünen anzufangen. Auf einem alten, grünen Blatt stand in säurezerfressenen Schreibmaschinenbuchstaben:
BMWKG-OWZYF-NTBAC-IOUBN-LYBTA-MQKUH-OLRUC-VDYDE-YBCYX-XDNNN-QYYMV-UPBJN-JFHNR-PMTCW-JHLIX-FBHAF-LASCL-DRGDX-CCBIS-UVGTL TGOMG-UDXIE-NPLHT-UFDBD-WUKNM-SWERO-PVZOG-MESJX-RUFHF-ZBNTN-KACBJ-YSFPH-CVEQZ-XTJUK-BLDMG-TQPGA-RZILR-QNPYA-BXDXF-JAPAT
Ein One-Time Pad, erkannte Dreyer sofort. Ein offenbar benutztes One-Time Pad. Dreyer wusste, dass ein One-Time Pad ein zwar altes, aber sehr zuverläss iges Verschlüsselungssystem war. Es verschlüsselt eine beliebige Nachricht, sofern sie nicht länger ist als der Text, und ohne Kenntnis des Codetextes kann man die verschlüsselte Nachricht auch nicht entschlüsseln – jede beliebige Zeichenfolge käme in Frage, sofern sie die gleiche Länge hat. Ohne Schlüssel weiß man also nicht, ob die verschlüsselte Nachricht, beispielsweise
PFENMTJYNOEQVWTTJWVSI
nun bedeutet
ANGRIFFAUFPEARLHARBOR
oder aber
FRIEDENS VERHANDLUNGEN
Einfach deswegen, weil beide Texte gleich lang sind. Und Dreyer hatte den Schlüssel – er grinste noch mehr.
Jedoch nur k urz, nämlich so lange, bis ihm auffiel, dass er leider nur den Schlüssel hatte, nicht aber die Nachricht. Das ist vergleichbar damit, den Schlüssel zu einer vergrabenen Schatztruhe zu haben, aber nicht zu wissen, wo diese vergraben ist. „Mist“, fluchte er.
Er sah in den gelben Umschlag und fand ein weiteres One-Time Pad . Seine Hoffnungen auf den roten Umschlag wuchsen, er riss ihn hastig auf. Zu seinem Leidwesen stellte er fest, dass das fade rosafarbene Papier darin hauptsächlich russischen Text beinhaltete:
1. Активация системы
2. Подтвердите Целевая
3. Введите кода 2 0 1 1 1 9 6 2 0 1
Dreyer nahm sein Smartphone aus der Tasche und machte von jedem Dok ument ein Foto, nahm sein Notebook aus dem Fach unter dem Navigationstisch und ging mit einem frischen Glas Rum nach oben. Das würde sowieso dauern, hatte er beschlossen.
Auf Deck stellte er erfreut fest, dass es in dieser Bucht tatsächlich UMTS-Netz, also schnelles Internet, gab. Er verband das Telefon mit dem Notebook und stellte eine Internetverbindung her. Seine erste Anlaufstelle war Google Translate. Die Seite lud sich
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