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Die Erben des Terrors (German Edition)

Die Erben des Terrors (German Edition)

Titel: Die Erben des Terrors (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes C. Kerner
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hundert Meter von der Zentrale des MSS entfernt. Die offizielle Policy des MSS war, dass private Beziehungen am Arbeitsplatz nichts verloren haben, aber Yuan war einfach zu schön, um sich gänzlich an seltsame Vorschriften zu halten. Und Yun fand den Kompromiss, dass sie nur außerhalb der Arbeit, also zumindest des Gebäudes, Zärtlichkeiten austauschten, eine ausreichende Befolgung der Maßnahmen. Und seine Vorgesetzten sahen das vielleicht auch so, zumindest war er erst vor einer Woche zum Senior Signals Intelligence Analyst befördert worden. Das ersparte ihm zwar nicht, den ganzen Tag Radio zu hören, aber er bekam mehr Geld.
    Sun Yuan, mit Achtundzwanzig zwei Jahre jünger als Yun, war nicht nur bildschön und intelligent, sondern sie hatte einen ähnlich langweiligen Job wie er: Sie las den ganzen Tag eMails. Insofern kam es nie vor, dass sie nach seiner Arbeit fragte. Sie kannte die Antwort und vermutete keine Geheimnisse, die er ihr nicht verriet, verraten konnte oder verraten wollte – es passierte nichts Interessantes. Und Yuan wusste das sehr genau, sie hatte das wie Yun auch bei ihren früheren Beziehungen erleben müssen.
    Etwas später
39° 54’ 27.38” Nord, 116° 24’ 14.32” Ost
Ministerium für Staatssicherheit (MSS), Beijing, Volksrepublik China.
    Für Sun Yuan waren die Mittagspausen stets zu kurz, immer waren es noch so viele Stunden voller langweiliger englischsprachiger eMails, bis sie am Abend wieder mit Liu zusammen sein konnte, der nur drei Stockwerke unter ihr arbeitete, fast am gleichen Platz, in einem fast genauso scheußlichen Großraumbüro. Aber die Arbeit musste gemacht werden, insofern klickte sie auf den „Weiter“-Button auf ihrem Bildschirm und sah eine neue eMail. Die eMail war von einem Daniel Dreyer, offenbar aus Venezuela, an einen Zhang Jin in Shanghai geschickt worden. Der Inhalt war nicht vielsagend, aber kryptisch, das ist schon mal ein Zeichen dafür, dass die Nachricht interessant sein könnte.
    Yuan gab Zhangs eMail-Adresse in die Datenbank des MSS ein, um ihn zu ident ifizieren. Sie betätigte die normalerweise sehr schnelle Suchfunktion, aber diesmal stürzte ihr Computer ab.
    Zur gleichen Zeit
39° 54’ 27.51” Nord, 116° 24’ 14.33” Ost
Vier Stockwerke höher
    Auf dem Computer von Liu Yiren, beim MSS zuständig für innere Angelege nheiten, blinkte eine kleine, rote Warnmeldung auf. Er klickte darauf und sah den computergenerierten Fallbericht: Eine eMail-Analystin, Sun Yuan, hatte einen Mitarbeiter der Spezialeinheit 61398 mit Namen Zhang Jin überprüfen wollen. Das, so war das Protokoll, geht niedere Beamte natürlich nichts an, das war Lius Aufgabe. Er öffnete die in Frage kommende eMail und las sie sich durch. Durchaus berechtigt, der Prüfungsversuch der jungen Frau, beschloss Liu und griff zu seinem Telefon, um den Technikern Bescheid zu geben, dass Frau Sun weiterarbeiten dürfte.
    Anschließend öffnete er die Anhänge der eMail – offenbar Fotografien von One-Time Pads. Soweit alles in Ordnung, das stand ja auch in der eMail, und jeder in China weiß, dass die Regierung eMails liest, zumindest die Jungs und das eine Mädel von der 61398. Insofern keine große Sache, aber die One-Time Pads an sich sind natürlich von Interesse, vielleicht entschlüsseln sie ja etwas, was interessant ist. Aber das ist Aufgabe der Kryptographen, das herauszufinden, und es den Kryptographen mitzuteilen ist Aufgabe eines höhergestellten Beamten des Ministeriums. Liu schrieb daher eine kurze Notiz bezüglich der eMail und widmete sich dann wieder Q Q 三 国 , einem Onlinespiel.
    11 . Juli 2013
39° 54’ 27.13” Nord, 116° 24’ 14.61” Ost
Ministerium für Staatssicherheit (MSS), Beijing, Volksrepublik China.
    Auf Ren Longs Schreibtisch, auf dem alles ankommt, was ausreichend viele seiner Untergebenen in der Abteilung für Open Source Intelligence für wichtig erac hten, standen drei Telefone. Eines, mit dem er seine Mitarbeiter anrufen konnte. Eines, mit dem er seine Kollegen aus den anderen Intelligence-Bereichen anrufen konnte, und eines, von dem er immer noch hofft, dass es nie klingeln wird. Als an diesem Tag das Telefon klingelte, war es das angenehme Läuten des mittleren Telefons, und nach der Anzeige auf dem Display war es sein geschätzter Freund Rong Bo, Leiter der eMail-Überwachung.
    „ 喂 “, sagte er in den Hörer.
    „Mein Freund“, sagte Rong. „Haben Sie Zeit für eine wichtige Besprechung?“
    „Natürlich gerne“,

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