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Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kevin Emerson
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in die Tiefe, bis wir schließlich wieder in den atlantischen Kartenraum gelangten. Er sah aus wie zuletzt, nur dass man die tote Nomadin inzwischen entfernt hatte. Aber der Tisch mit den Karten stand noch an der Wand, und darauf lag nun auch Leechs schwarze Rolle.
    Cartiers Männer führten uns die Wendeltreppe hinab. Als wir über den schmalen Steg an ihrem Ende liefen, warf ich einen Blick auf das atlantische Schiff, das unter uns auf dem Trockenen lag. Kein Wasser, kein Wind, um es anzutreiben – nur die schwarze Kugel samt ihrem Podest und dem eigenartigen Kupferschirm darunter und ganz oben, in der Decke, der große Marmorball. Ich fragte mich, was das alles zu bedeuten hatte.
    Jemand verpasste mir wieder einen Stoß in den Rücken. »Los, weiter.«
    Sie hatten ein paar Lampen an der Wand und in dem schmalen, gewundenen Durchgang montiert, und ein dich tes Gewirr von Stromkabeln schlängelte sich über den Boden. Wir quetschten uns hindurch, bis wir schließlich wieder in der engen Kammer mit dem Schädel standen.
    »Da ist er ja endlich.«
    Das Licht in der Kammer war blendend hell, die Wände in Weiß gebadet. Das beständige Summen von Elektrizität lag in der Luft, begleitet vom Geräusch gelegentlicher Entladungen. Den Schädel konnte ich nicht sehen, weil mir mehrere Leute, von denen ich erst nur die Umrisse wahrnahm, den Blick versperrten.
    Zur Rechten des Podests stand Paul. Er trug eine Schweißerbrille und untersuchte den Schädel. Direkt davor stand eine Person, nach vorn gebeugt. Jede ihrer Arme wurde von einem Uniformierten gehalten; es sah aus, als drückten sie die Hände dieser Person gewaltsam an den Schädel.
    »Okay, das reicht.« Paul gab den beiden Männern einen Wink. Sie zogen an den Armen des Gefangenen, und es schien sie große Mühe zu kosten, ihn vom Schädel loszureißen. Als sie ihn umdrehten, erkannten wir ihn. Es war Leech. »Nnnnaa!«, schrie er. Sein Gesicht war verzerrt, die Augen geschlossen, die Zähne gefletscht. Ein kleiner Mann in weißem Kittel und Schutzbrille trat vor ihn hin und hielt ihm ein eckiges Kästchen vor die Stirn, so wie Dr. Maria es bei mir getan hatte. Das Lämpchen darauf glühte in einem grünlichen Gelb.
    »Gebt ihm eine Verschnaufpause.« Die Wachmänner brachten Leech zu einer Pritsche an der hinteren Wand.
    Dort sank er schlaff in sich zusammen. Man hatte ihm an mehreren Stellen den Kopf rasiert und Elektroden ange bracht. Auch am Schädel hatte man Drähte angelegt. Seine leeren Augenhöhlen starrten mich an, doch ich konnte den Blick nicht von Leech wenden. Mehrere Geräte neben der Pritsche überwachten seine Lebensfunktionen. Seine Arme und Beine zuckten leicht, und zum ersten Mal tat er mir fast leid: Leech, der Liebling des Lagers, der Quälgeist, der uns alle mit seinen dummen Spitznamen und Witzen beherrscht hatte, und dabei selbst die ganze Zeit nur benutzt worden war.
    »Also dann, Owen …« Paul wandte sich uns zu und lüftete seine Brille.
    Zum ersten Mal blickte ich ihm in die Augen und sah, was er die ganze Zeit hinter seinen getönten Gläsern verborgen hatte. Ich bedauerte, dass ich es je hatte wissen wollen.
    Pauls Augen waren ausgedörrt, verbrannt und kränklich rot, von dunklen Adern durchzogen. Die Iriden aber waren von einem strahlenden, elektrischen Blau, in dem man die feinen Muster winziger Schaltkreise ausmachen konnte, in denen es immer wieder hell aufblitzte. Ich begriff, dass diese Augen künstlich waren; gläserne Kameralinsen bildeten die Pupillen. Meine Reaktion konnte ihm nicht entgangen sein, denn er lächelte, und seine Pupillen fokussierten sich auf mich mit einem leisen Surren. Wenn ich sein Lächeln schon mit Brille für unheimlich gehalten hatte, dann war es ohne sie so seelenlos und kalt, dass es mich noch lange in meinen Alpträumen verfolgen würde – selbst wenn wir hier noch einmal lebend rauskämen.
    »Ja«, sagte er und hob eine Hand zum Gesicht. »Das geschieht, wenn man den Göttern ins Gesicht blickt. Oder, wie in meinem Fall, einem Wächter der Atlanter, der ihre auserwählten Kinder wecken sollte. Zum Glück gibt es da einen Arzt in Eden Ost, der ausgezeichnete Augen herstellt. Sie haben sogar ein holographisches Interface, doch was kümmert mich das. Meine Augen sind einzig an der Wahrheit interessiert – und du, Owen, bist die Wahrheit.«
    Die Augen zuckten und blitzten. Paul zeigte auf den Schädel. »Das ist doch deiner, oder nicht?«
    Ich gab keine Antwort.
    »Ist schon gut – ich

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