Die Erben von Atlantis: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Steinkreise zu lüften. Wahrscheinlich weiß ich mehr über die Atlanter als irgendwer sonst, selbst als mein Vater. Du aber …« Paul senkte die Stimme zu einem Knurren. Fast erwartete ich, dass er sich die Lippen lecken würde, ein Raubtier auf der Pirsch in Erwartung eines Leckerbissens. »Du bist der Eine. Du bist der Eingeweihte, nicht wahr? Du hast ihre Welt mit eigenen Augen gesehen. Und jetzt musst du mir alles erzählen, Owen. Das wirst du doch, oder?«
Ich gab keine Antwort.
»Ich meine, der Schädel will sich einfach niemand sonst offenbaren! Wir haben es probiert, das kannst du mir glauben.«
»Ich weiß«, sagte ich und dachte an unsere gefesselten Freunde. »Ich habe es gesehen.«
»Richtig«, sagte Paul. »Du warst im Labor. Dann wissen wir jetzt ja beide, dass dieser Schädel nur für dich bestimmt ist – habe ich recht?«
Da erkannte ich, dass sich uns hier vielleicht eine Chance bot … »Ja, nur für mich. Ich bin der Einzige.«
»Gut«, sagte Paul, ganz ungeduldig vor Aufregung. »Und hat er dir auch gesagt, wo man sie findet?«
»Was denn?«
»Die Brocha «, sagte Paul.
Ich versuchte mich zu entsinnen, ob Lük etwas in der Art erwähnt hatte, war mir aber ziemlich sicher, dass ich zum ersten Mal davon hörte.
»Dann hat dir der Schädel also nichts davon erzählt«, stellte Paul fest. »Ich rede von der Brocha de Dioses . Zumindest nennen wir sie so. Ein spanischer Priester hat es so aus einer alten Bilderhandschrift der Maya übersetzt. Sicherlich nannten die Atlanter sie anders.«
»Und was soll das sein?«
»Nun … das ist die große Frage. Brocha de Dioses heißt ›Pinsel der Götter‹. So steht es zumindest in der Übersetzung. Es war ziemlich schwer, mehr darüber in Erfahrung zu bringen, aber wir glauben, dass es sich um eine Art Ma schine handelt, eine sehr alte Maschine, die uns alle, nun ja, retten könnte. Und sie befindet sich im Herzen des Terra.«
Davon hatte Lük mir erzählt: Jemand hat unsere alte Sünde entdeckt und will sie benutzen. Vielleicht war das ja, was von mir erwartet wurde: dieses alte Artefakt vor Paul und dem Elysion-Projekt zu schützen.
»Was soll das heißen, uns alle retten?«, fragte ich.
»Das ist eine wirklich faszinierende Frage«, sagte Paul, und klang nun beinahe aufrichtig, »und vielleicht können wir sie später noch vertiefen. Die Atlanter hatten einen Weg gefunden, die Kräfte der Erde zu kontrollieren, um den Planeten zu verändern und ihren Bedürfnissen anzupassen. Ihre Zivilisation umspannte den ganzen Globus. In mancher Hinsicht konnten sie zwar nicht mit uns Schritt halten – in anderer aber waren sie uns weit überlegen.
Vor etwa zehntausend Jahren sahen sie sich von einem Klimawandel ähnlich der Großen Flut bedroht. So etwas ist nicht weiter ungewöhnlich, wenn man es von einer erdgeschichtlichen Warte aus betrachtet – die Atlanter waren aber die ersten Bewohner der Erde, die in der Lage waren, etwas dagegen zu unternehmen. Ihnen drohte eine dramatische Erwärmung, und genau wie wir lebten sie vor allem an den Küsten. Schließlich waren sie meisterliche Seefahrer.«
Mir fiel auf, dass ich ihm hier etwas voraushatte: Paul ahnte nichts von den Luftschiffen. Wahrscheinlich hielt er das Gefährt im Tempel für ein gewöhnliches Boot. Was wiederum hieß, dass ihm auch noch nicht klar war, was genau meine Aufgabe war.
»Ihre Städte drohten zu versinken«, fuhr er fort. »Also kämpften sie um ihr Überleben. Sie erschufen den Pinsel der Götter – und setzten ihn ein.«
»Es hat aber nicht funktioniert«, entgegnete ich, und dachte an den aschfarbenen Himmel von Lüks Welt.
Paul lächelte, als wäre ich sein Musterschüler. Und ob ich wollte oder nicht – seine Erzählung hatte mich in ihren Bann geschlagen. Ich wollte mehr über die Geschichte meines Volks erfahren. Wie viel er mir wohl noch beibringen könnte? Dann aber fiel mein Blick auf Leech. Er war noch immer bewusstlos, sein Gesicht aber schmerzverzerrt, und ich rief mir wieder ins Gedächtnis, dass er Pauls letzter Musterschüler gewesen war.
»Vielleicht sollte man eher sagen, es hat zu gut funktioniert«, sagte Paul. »Alles deutet darauf hin, dass die Bro cha de Dioses eine Katastrophe von so verheerenden Ausmaßen verursachte, dass sie zur Grundlage sämtlicher Flutmythen wurde, die wir heute kennen.
Die Zivilisation der Atlanter brach zusammen – und die fortschrittlichste Technologie, die die Welt bis zu diesem Jahrtausend hervorgebracht
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