Die Erben von Hammerfell - 5
leronis – wir müssen ein anderes Mal darüber sprechen, und das werden wir auch.«
»Ich verstehe nicht…« begann Conn, verfolgte aber den Gedanken nicht weiter, sondern lauschte dem tobenden Sturm und dem Schnee, der gegen die Fensterläden prasselte. Er nahm die Emotionen seines Pflegevaters wahr. Der alte Mann war beunruhigter, als er es durch einen bloßen Traum, auch einen immer wiederkehrenden, hätte sein dürfen.
Abgesehen von dem Schreck und dem Schmerz, als er erwachte und meinte, verletzt worden zu sein und zu bluten, hatte Conn selbst den Traum nicht sehr ernst genommen. Kurze Einblicke in ein anderes Leben hatte er schon viele Male in Träumen gehabt, obwohl er selten darüber mit seinem Pflegevater sprach. In ihnen versteckte er sich nicht in diesem kleinen Dorf im Gebirge, wo nur wenige seinen richtigen Namen und seine Identität kannten, sondern wohnte in einer großen Stadt und war von einem Luxus umgeben, den er sich kaum vorstellen konnte. Es beunruhigte ihn sehr, daß Markos anscheinend glaubte, diesen Visionen liege irgendeine Realität zugrunde.
Markos war Conns früheste Erinnerung. Sosehr er es auch versuchte, in seinem Gedächtnis war sonst nichts zu finden, nichts außer Bildern von einem großen Feuer und manchmal eine liebe Stimme, die ihm in seinen Träumen beruhigend zusprach. Markos hatte eines Tages entdeckt, daß Conn sich schwach an das Feuer erinnern konnte, und da hatte er ihm seinen richtigen Namen mitgeteilt und die Geschichte des Brandes von Hammerfell erzählt, bei dem sein Vater und seine Mutter und sein einziger Bruder umgekommen seien. Als Conn größer geworden war, nahm Markos ihn mit zu der ausgebrannten Ruine, die einmal die stolze Feste von Hammerfell gewesen war, und prägte ihm ein, daß seine erste Pflicht als der einzige überlebende Mann der Hammerfell-Sippe darin bestünde, für die verlassenen Gefolgsleute von Hammerfell zu sorgen und sein Herzogtum zurückzuerobern und wiederaufzubauen.
Conn bemühte sich einzuschlafen, und das süße Gesicht des Mädchens in Weiß, das seine Traumwunde geheilt hatte, begleitete ihn in die dunklen Abgründe des Schlafs. Ob es dieses Mädchen wirklich gab? Markos hatte ihm erzählt, er sei als Telepath geboren worden, begabt mit den erblichen parapsychischen Kräften seiner Kaste. War es also möglich, daß das Mädchen tatsächlich irgendwo existierte, daß er es durch die Kraft seines ererbten laran gesehen hatte? Oder war sein laran von der präkognitiven Art, war es vorherbestimmt, daß das Mädchen irgendwann in sein Leben treten würde?
Mehr schlafend als wachend, sich des tobenden Schneesturms bewußt, überließ Conn sich Phantasien, in denen das schöne Mädchen bei ihm war. Sie hatten Zuflucht in einer halb in Trümmern liegenden Steinhütte gefunden, nicht unähnlich der Hütte an der Grenze von Hammerfell, wo er mit Markos gewohnt hatte, so weit er sich zurückerinnern konnte, nur sie beide und eine schweigsame alte Frau, die für sie gekocht und Conn versorgt hatte, als er noch zu klein gewesen war, um während Markos’ häufiger Abwesenheit allein gelassen zu werden. Jetzt wurde Conns Traum durch Hufschläge gestört. Reiter kamen auf der Straße näher. Conn erwachte und streckte die Hand nach Markos aus.
»Es ist Zeit«, flüsterte er. »Sie kommen.«
»Und da ist das Zeichen«, bestätigte Markos, als unmittelbar vor der Hütte ein Regenvogel dreimal rief. Er zündete ein Streichholz an. Auch die anderen Männer standen auf und fuhren in die Stiefel.
Markos ging an die Tür und zog sie auf. Die Angeln kreischten so laut, daß Conn zusammenzuckte.
»Ich könnte dieses Quietschen noch hören, wenn wir auf der anderen Seite des Walls um die Welt wären«, beschwerte er sich. »Öl sie, oder die Berge werden sie für eine Alarmglocke halten.«
»Aye, mein Lord«, stimmte Markos zu. Wenn sie allein oder mit Leuten zusammen waren, die Conns wahre Identität nicht kannten, hieß es meistens »mein Junge« oder »Master Conn«. Aber seit Conns fünfzehntem Geburtstag hatte Markos ihn in Anwesenheit solcher, die Bescheid wußten, stets respektvoll mit seinem Titel angeredet.
Ein halbes Dutzend Männer in Reitkleidung drängte sich in die Hütte, in der Conn, Markos und die anderen geschlafen hatten. Trotz des kleinen, dem Schutz vor dem Wetter dienenden Vorraums strömten der eisige Wind und die Graupeln mit ihnen ins Innere, und der letzte hatte Mühe, die Tür zu schließen.
In dem trüben Licht stellte sich
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