Die Erben von Hammerfell - 5
weiblichen Verwandten,
unter denen, wie er mit einem Anflug von Ehrfurcht bemerkte, Königin Antonella saß. Sie zeigte ein leeres,
freundliches Lächeln.
Mit der gellenden Stimme der Schwerhörigen sagte die
Königin: »Endlich! Wir haben auf dich gewartet, meine
Liebe. Aber ich glaube, deinen jungen Begleiter kenne ich
nicht.«
»Er ist der Sohn Erminies, der Herzogin von Hammerfeil, die Zweite Technikerin in Edric von Elhalyns Kreis
ist«, erklärte Floria mit ihrer sanften Stimme so leise, daß
Alastair sich fragte, wie die taube alte Dame das verstehen
sollte. Dann fiel ihm ein, daß sie bestimmt Telepathin war
und das gesprochene Wort nicht brauchte.
»Hammerfell«, wiederholte sie mit ihrer rostigen
Stimme und nickte ihm freundlich zu. »Ist mir ein Vergnü
gen, junger Mann. Eure Mutter ist eine großartige Frau,
ich kenne sie gut.«
Es erfüllte Alastair mit Genugtuung. An ein und demselben Abend erst von dem König, jetzt von der Königin
ausgezeichnet zu werden, war mehr, als er sich erhofft
hatte. Ein junger Mann, den Alastair nicht kannte, trat zu
ihnen und bat Floria um einen Tanz. Alastair verbeugte
sich vor Königin Antonella, die seinen Gruß würdevoll erwiderte, und machte sich auf die Suche nach seiner Mutter. Er fand Erminie im Wintergarten, wo sie sich die prächtigen Blumen ansah. Sie drehte sich zu ihm um und fragte:
»Mein lieber Junge, warum tanzt du nicht?«
»Ich habe für den heutigen Abend genug getanzt«, antwortete Alastair. »Wenn der Mond untergegangen ist,
wen kümmern dann noch die Sterne?«
»Na, na«, ermahnte Erminie. »Deine Gastgeberin hat
auch noch andere Pflichten.«
»Darüber hat Floria mir bereits eine Predigt gehalten.
Fang du nicht auch noch damit an, Mutter«, erwiderte er
gereizt.
»Floria hatte ganz recht«, sagte Erminie, spürte jedoch,
daß er ihr viel zu erzählen hatte. »Was ist, Alastair?« »Ich hatte eine Audienz beim König, Mutter – aber ich
kann hier in aller Öffentlichkeit nicht viel darüber sagen.« »Du möchtest sofort gehen? Wie du wünschst.« Erminie winkte einem Diener. »Bitte, ruf eine Sänfte für uns.« Unterwegs schüttete Alastair seiner Mutter das Herz
aus. »Und, Mutter, ich habe Floria gefragt, ob sie meinen
Antrag annehmen wird, wenn ich mein Erbe zurückerobert habe…«
»Und welche Antwort hat sie dir gegeben?«
Alastair flüsterte beinahe: »Sie küßte mich und sagte,
sie erwarte diesen Tag sehnsüchtig.«
»Ich freue mich so für dich; Floria ist ein reizendes Mädchen.«
Erminie fragte sich, warum Alastair, wenn sich das alles
so zugetragen hatte, so trübsinnig dreinblickte.
Da Alastairs telepathische Gabe nicht entwickelt war,
deutete sie seinen Ausdruck falsch und glaubte, er habe
das Mädchen vielleicht gedrängt, sich sofort mit ihm zu
verloben oder sogar, ihn auf der Stelle zu heiraten, und
Floria habe ihn schicklicherweise abgewiesen.
»Jetzt erzähl mir jedes Wort, das Seine Gnaden zu dir
gesagt hat«, verlangte sie und setzte sich zurecht, um ihm
zuzuhören.
VIII
Das Dorf Niederhammer war armselig – nicht viel mehr als ein Haufen von Steinhäusern im Mittelpunkt von einem Dutzend Farmen. Aber es war Erntezeit, und die größte Scheune war ausgeräumt und in eine Tanzhalle umgewandelt worden, die voll war mit lautstark feiernden Dorfbewohnern. Für die Beleuchtung sorgte eine Anzahl von Laternen. Flöten- und Harfentöne erfüllten die Halle und luden zum Tanz ein. Entlang der ganzen Wand standen Schragentische, und jeder Becher und jedes Glas der Dorfbewohner war hier um Krüge mit Apfelwein und Bier aufgestellt. Für die Älteren waren Bänke da. In der Mitte tanzte ein Kreis von jungen Männern nach links um einen Kreis von jungen Mädchen, die nach rechts tanzten.
Conn war auch dabei. Als die Musik endete, streckte er dem Mädchen, das ihm gegenüberstand, die Hände entgegen, führte es an den Tisch mit den Erfrischungen und füllte zwei Becher.
Es war heiß in der Scheune. Hinter einer rauhen hölzernen Trennwand standen Pferde und Milchtiere, und vier oder fünf junge Männer bewachten die Tür, damit keine Fackeln oder Kerzen dorthin getragen wurden, wo es Heu und Stroh gab. Immer überschattete die Angst vor Feuer ländliche Feste, besonders zu dieser Jahreszeit, wenn der Herbstregen die Harzbäume noch nicht durchtränkt hatte.
Conn nahm einen Schluck von seinem Apfelwein und lächelte Lilla, dem Mädchen, das beim Tanz seine Partnerin gewesen war, hölzern zu. Warum nur sah er in diesem Moment, als
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