Die Erben von Hammerfell - 5
hernieder und übertönte jedes andere Geräusch.
»Aye, das wird den armen Mädchen den Feststaat ruinieren«, bemerkte Markos. Conn hörte nicht hin. Die Steinwände des kleinen Hauses waren verblichen, und gleißendes Licht blendete seine Augen. Die einfache Bank unter ihm war ein Brokatsessel, und ein kleiner, weißhaariger, elegant gekleideter Mann sah ihn mit durchdringenden Augen an und fragte: Wenn ich Euch helfen würde, Hammerfell zurückzugewinnen, würdet Ihr dann geloben, ein treuer Vasall der Hasturs zu sein?
»Conn!«
Markos rüttelte ihn am Arm.
»Wo warst du? Weit weg von hier, das konnte ich sehen
- war das wieder dein Traummädchen?«
Der plötzliche Wechsel der Beleuchtung von strahlendem Glanz zu einer einfachen Laterne und dem Sehern des Feuers ließ Conn blinzeln.
»Diesmal nicht«, antwortete er, »obwohl ich weiß, daß sie in der Nähe war. Nein, Markos, ich habe mit dem König gesprochen -« er suchte nach dem Namen »- mit König Aidan in Thendara, und er versprach nur Hilfe für Hammerfell…«
»Gnädige Avarra«, sagte der alte Mann leise, »was war das für ein Traum…«
»Kein Traum, Pflegevater, es kann kein Traum gewesen sein. Ich sah ihn, wie ich dich sehe, nein, noch deutlicher, weil mehr Licht war, und ich hörte seine Stimme. Oh, Markos, wenn ich nur wüßte, ob mein laran von der Art ist, die die Zukunft voraussieht! Denn wenn dem so ist, sollte ich sofort nach Thendara reiten und König Aidan aufsuchen.«
»Ich weiß nicht, was für ein laran in der Familie deiner Mutter war – es könnte durchaus diese Gabe sein.«
Die Wiederkehr des »Traumes« gab Markos Rätsel auf. Er sah Conn scharf an. Zum erstenmal in vielen Jahren kam es ihm in den Sinn: Ist es möglich, daß die Herzogin von Hammerfell noch am Leben ist und die Sache Hammerfells in Thendara vertritt?
Oder hat vielleicht sogar Conns Bruder diese Nacht des Feuers und des Untergangs überlebt? Nein, sicher nicht. Das konnte nicht die Ursache von Conns Visionen sein. Immerhin hatte Conn, wie er sich erinnerte, eine ungewöhnlich starke Verbindung zu seinem Zwillingsbruder gehabt…
»Sollte ich nicht wirklich nach Thendara gehen und mit König Aidan Hastur sprechen?« fragte Conn.
»So leicht ist es nicht, einem König das Haus einzurennen«, gab Markos zu bedenken. »Aber deine Mutter hatte Hastur-Verwandte, und diese würden sich um ihretwillen sicher für dich einsetzen.«
Soll ich ihm sagen, daß ich vermute, seine Mutter und vielleicht sogar sein älterer Bruder seien noch am Leben? fragte Markos sich. Nein, das wäre unfair gegen den Jungen. Er würde auf dem ganzen Weg nach Thendara grübeln – und er hat bereits genug zu verkraften…
»Ja«, fuhr Markos dann resigniert fort, »es sieht ganz so aus, als müßtest du nach Thendara und feststellen, was man dort über Hammerfell weiß und was getan werden kann, um unseren Leuten zu helfen. Auch sollten wir uns an die Verwandten deiner Mutter wenden. Möglicherweise bieten sie uns ihre Hilfe an.« Er schwieg einen Augenblick, dann sagte er: »Es ist Zeit, mein Junge, daß du einmal mit jemandem sprichst, der von laran mehr versteht als ich – diese ›Episoden‹ werden zu häufig, und ich mache mir Sorgen um dein Wohlergehen.«
Conn konnte nicht umhin, ihm zuzustimmen.
Conn ritt südwärts durch den leichten Regen, der die Umrisse der Berge verwischte. Als er in die südlichen Gebiete des alten Reiches von Hammerfell und in das Königreich von Asturias kam, war es, als lägen alle Hundert Königreiche zu seinen Füßen. Früher hatte man gesagt, viele kleinere Könige in den Hundert Königreichen könnten sich auf einen Hügel stellen und von einer Grenze ihres Landes zur anderen blicken, und jetzt, als er von einem kleinen Königreich ins nächste kam und eine Grenze nach der anderen hinter sich ließ, erkannte Conn, daß dies zutraf. Im Süden, so hatte man ihm erklärt, lägen die HasturDomänen, wo in den langen Kriegen der Vergangenheit der brillante König Regis IV. endlich viele dieser Miniaturkönigreiche unter einer einzigen Herrschaft vereinigt hatte.
Conn überquerte den Kadarin-Fluß, gelangte ins Vorgebirge und nach Neskaya, die angeblich älteste Stadt der Welt. Dort verbrachte er die Nacht als Gast einer Tiefland-Familie, an die Markos ihm ein Empfehlungsschreiben mitgegeben hatte. Die Leute behandelten ihn mit Achtung und stellten ihm alle ihre Söhne und Töchter vor. So jung und naiv war Conn nun auch wieder nicht, daß er geglaubt hätte,
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