Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Nein, sie hatte sich nichts aus Mary gemacht und sie, wie seine Eltern, benutzt, um ihm nahe zu sein. Zu seiner Verwunderung fragte Lucy ihn nie nach dem Namen der Frau, die er geliebt und an einen anderen verloren hatte – vielleicht, weil sie fürchtete, die Eifersucht nicht zu ertragen –, doch er sah ihren scharfen Blick immer wieder über die Gesichter der Frauen in ihrem Bekanntenkreis wandern. Hoffentlich fand sie nie heraus, dass Mary die Liebe seines Lebens war!
Als er sich Tag für Tag mit ihrem Schmollen und jede Nacht mit ihren körperlichen und emotionalen Angriffen konfrontiert sah, beschloss er, ihr Mitte Oktober eine Auflösung der Ehe vorzuschlagen. Er hatte genug von ihrer Geilheit, ihrer derben Ausdrucksweise, ihren Wutanfällen und ihren Ressentiments gegen seine Mutter, die sie für seinen »Zustand«, wie sie ihn nannte, verantwortlich machte. Er würde sie freigeben und den Rest ihres Lebens für alle ihre Ausgaben aufkommen, um sich aus dieser Lage zu befreien.
Doch bevor er das Thema anschneiden konnte, sagte Lucy: »Halt dich fest, es gibt was zu lachen: Ich bin schwanger.«
SECHSUNDDREISSIG
B eatrice legte Ollies Telegramm in den Schoß und nahm die Brille ab, bevor sie zum anderen Ende des Wohnzimmers hinüberschaute, wo ihr Sohn gerade die Aperitifs einschenkte. Lucy schloss sich diesem Ritual nur selten an; manchmal erschien sie nicht einmal zum Abendessen. »Wie nett von Ollie, uns zu schreiben, wann sie nach Hause kommen wollen. Wirst du der Pate des Kindes werden?«
»Natürlich«, antwortete Percy. »Ich empfinde es als Ehre, dass sie mich fragen.«
»Sie freuen sich auf daheim«, bemerkte Jeremy. »Abel kann es kaum noch erwarten, seinen Enkel auf dem Arm zu halten. Wir werden eine kleine Willkommensfeier für sie veranstalten müssen, Beatrice.«
Das Problem dabei war ihnen allen bewusst: Lucy. Würde sie sich in ihrem gegenwärtigen unberechenbaren Zustand bei einer solchen Feier für die DuMonts ordentlich benehmen?
»Überlasst Lucy mir«, sagte Beatrice, die die unausgesprochene Sorge ihres Mannes in seinem Tonfall gehört hatte. »Sie wird mit uns an einem Strang ziehen.«
Percy nippte an seinem Scotch. Wenn irgendjemand in der Lage war, mit Lucy fertig zu werden, dann seine Mutter, obwohl seine Frau in letzter Zeit sogar gegen sie aufbegehrte. Die Schwangerschaftsbeschwerden und ihre Verachtung für Percy trieben sie zu einem Verhalten, das nicht einmal sie selbst für möglich gehalten hätte. Sie hatte Händler beleidigt, dem Milchjungen eine Ohrfeige gegeben und Doc
Tanner offen einen Quacksalber genannt. Mehrere langjährige Bedienstete hatten gekündigt, und Einladungen wurden kaum noch ausgesprochen, weil man nie wusste, ob Lucy sich beherrschen könnte. Lediglich die strenge Ausbildung in Bellington Hall, der Respekt vor ihrer Schwiegermutter und die unsichere Hoffnung auf ein Gelingen ihrer Ehe hinderten sie daran, sich vollkommen gehen zu lassen, vermutete Percy. Mit Marys und Ollies Rückkehr brach jedoch vielleicht die Hölle los.
Dies sei immer noch das Haus der Warwicks und sie seine Herrin, erklärte Beatrice. Ob mit oder ohne Lucy: Sie würden eine Willkommensfeier für die DuMonts geben.
Am Abend des Festes musste Percy eines Notfalls wegen zum Holzlager, so dass er das Eintreffen der Gäste verpasste. Sie saßen bereits mit seinen Eltern und Abel, Mary neben der Wiege, die sie mitgebracht hatte, im Salon, als er nach Hause zurückkehrte. Dass Lucy nicht heruntergekommen war, stellte er mit Erleichterung fest. Percy konzentrierte sich zuerst auf Ollie, nicht auf seine Frau in dem elfenbeinfarbenen Kleid, die sich mit ihm erhob, als er den Raum betrat.
»Percy, du alter Schwede!«, rief Ollie, von einem Ohr zum anderen grinsend, aus und bewegte sich auf Krücken auf ihn zu. Als sie einander umarmten, wären Percy fast Freudentränen in die Augen getreten.
»Willkommen zu Hause, mein Freund«, begrüßte er ihn. »Du hast uns allen sehr gefehlt.« Er wandte sich Mary zu. »Und du auch, Mary Lamb.«
Sie wirkte reifer. Percy hätte nie für möglich gehalten, dass eine Frau so schön sein könnte. Die Farbe ihres Kleids brachte ihren Honigteint und die Schwärze ihrer Haare zur Geltung, die sie nun als Bubikopf geschnitten und mit einem elfenbeinfarbenen, paillettenbesetzten Band trug.
Sie umarmten sich nicht. Percy hatte sich gefragt, ob sie
seinem Blick ausweichen würde, doch sie erwiderte ihn mit einer Intensität, die ihm beinahe das Herz
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