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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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ihrem Mangel an Sensibilität und ihrem Desinteresse an kulturellen und intellektuellen Dingen. Nun war ihm genau das peinlich, was er zuvor anziehend gefunden hatte – ihre direkte Ausdrucksweise, ihre forsche Missachtung der Konventionen und ihre unbekümmert hingeworfenen Meinungen, die sie ohne Rücksicht darauf, wen sie damit verletzte, äußerte. Percy kannte sich selbst gut. Trotz seiner Lust am Körperlichen schätzte er Schicklichkeit, und so konnte es nicht ausbleiben, dass sein Widerwille sich im Bett bemerkbar machte.
    »Nichts, Lucy. Es liegt an mir. Ich bin müde«, murmelte er.
    »Wovon, zum Teufel? Vom Pingpongspielen etwa?« Ihr Tonfall machte klar, dass sie wieder einmal mit Haferbrei statt Schokoladenkuchen abgespeist worden war.
    Percys Mutter hatte versucht, ihn zu warnen. »Diese reife kleine Melone hat zu viele Kerne, Percy.«
    »Stimmt, Mutter, aber je mehr Kerne, desto süßer die Frucht.«
    Wie hatte er so blind sein und sich einbilden können, er würde mit Lucy glücklich werden? Vermutlich hatte er in dem Wissen, dass es keine zweite Mary gab, ihr genaues Gegenteil geheiratet.
    Allerdings vermittelte er Lucy nie das Gefühl, sie sei verantwortlich für sein Versagen. Da die Wahrheit schlimmer gewesen wäre als die Lüge, schuldete er ihr die Lüge. Sie hatte ihn in gutem Glauben geheiratet, in dem Glauben, dass er sie so akzeptierte, wie sie war, während seine Motivation anders aussah: Er hatte nicht allein sein wollen, wenn Mary und Ollie zurückkamen.
    »Es liegt nicht an dir, Lucy, sondern an mir«, versicherte er ihr immer wieder.
    Im ersten Monat reagierte sie noch mit Tränen, danach folgte eisiges Schweigen, bis er sie eines Nachts in der Dunkelheit mit leiser Stimme fragen hörte: »Warum begehrst du mich nicht, Percy? Magst du Sex etwa nicht?«
    Nicht mit dir , dachte er. Er wusste, dass er ihr nur das zu gewähren brauchte, was sie sich so sehr wünschte, um das Leben mit ihr erträglich zu machen, doch eheliche Pflicht hin oder her: Er würde sich nicht als Hengst benutzen lassen, wenn alle anderen positiven Dinge, die er sich von der Ehe erwartete, fehlten.
    Mit ihrer unheimlichen Fähigkeit, seine Gedanken zu lesen, sagte sie: »Du … du Eunuch ! Alle halten dich für den
besten Hengst im Stall. Die Mädchen bekommen schon bei deinem Anblick feuchte Höschen …«
    »Lucy, was für eine Ausdrucksweise …«
    »Meine Ausdrucksweise?« Sie stieß Percy, der auf der Bettkante saß, mit dem Fuß herunter, so dass er mit dem Kopf nur knapp die scharfe Kante der Aussteuertruhe davor verfehlte. »Ist das deine Hauptsorge in dieser erbärmlichen Situation? Meine Ausdrucksweise ?«, kreischte sie, schlug die Decke zurück und marschierte auf Percy zu, der nackt und benommen, die Beine breit gespreizt, sein Geschlecht ihrem Blick ausgesetzt, auf dem Boden saß. »Und was ist mit meinem Stolz, meinen Gefühlen, meinen Bedürfnissen, meinen Rechten , Percy?« Sie ging mit den Fingernägeln auf ihn los.
    Percy wich aus und schlug ihre Hand weg, bevor er aufstand. Er musste sich sehr zusammenreißen, ihr keine Ohrfeige zu geben. Schließlich war es nicht ihre Schuld. Er hatte sie in dem Wissen geheiratet, dass sie ein Idealbild liebte, nicht ihn, den Mann aus Fleisch und Blut. Von dem wusste sie kaum etwas, und in den Monaten ihrer Ehe hatte sie sich auch nicht sonderlich bemüht, mehr über ihn zu erfahren. Gegen dieses Idealbild, das sie enttäuscht hatte und vor ihren Füßen zu Staub zerfiel, erhob sie nun die Hand.
    Er hatte Lucy in dem Glauben geheiratet, sie irgendwann lieben zu lernen, erinnerte sich jetzt aber kaum noch an die junge Frau, die ihm so gefallen hatte. Ihr glockenhelles Lachen war verstummt, der Schalk aus ihren Augen gewichen. Den süßen kleinen Rosenmund verzog sie nur noch vor Verbitterung. Traurig und mit Schuldgefühlen sah er das Mädchen verschwinden, das er vielleicht hätte lieben können.
    Die Versicherung, dass es nicht ihre Schuld sei, tröstete sie weder, noch weckte sie ihr Mitleid. »Was für eine Unverschämtheit«, zischte sie. »Du hast verflucht noch mal recht: Es ist nicht meine Schuld, sondern deine, Percy Warwick.
Dein Ruf war immer schon besser als du. Ich wette, Mary hat dich von Anfang an durchschaut und deswegen nie ein Auge auf dich gehabt.«
    Percy gab sich Mühe, das Gesicht nicht zu verziehen, als sie Mary erwähnte. Wie war er nur auf die Idee gekommen, dass Lucy sie nach ihren gemeinsamen Erfahrungen in Bellington Hall mochte?

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