Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
wünschte, du würdest dich nur halb so sehr für unser eigenes Kind interessieren wie für das von Ollie und Mary.«
»Die Stimmung ist dem bisher nicht gerade förderlich gewesen«, erinnerte Percy sie.
»Und du glaubst, die wird besser, wenn das Baby da ist? Ich möchte dir gleich sagen, dass du nicht allzu viel Mitspracherecht bei der Erziehung des Kindes haben wirst. Es gehört mir. Das bist du mir schuldig.«
»Es ist unser beider Baby, Lucy. Du kannst es nicht als Waffe gegen mich benutzen.« Percy ließ sich von ihrer Drohung nicht beeindrucken, weil seine Frau genau wusste, dass es eine Grenze gab, die sie besser nicht überschritt. Alles würde er sich nicht gefallen lassen. Obgleich er zugeben musste, dass er bislang tatsächlich wenig Begeisterung über die bevorstehende
Geburt ihres Kindes gezeigt hatte. Trotz ihres Ehekriegs fand er seine Gefühlskälte merkwürdig und überlegte, was Ollie in der gleichen Situation empfunden hatte. Er würde ihn fragen.
Die Warwicks schliefen mittlerweile in getrennten Zimmern, vorgeblich, weil das während der Schwangerschaft für Lucy angenehmer sei. Percy hatte keine Ahnung, welche Ausrede sie später verwenden würden. Er war bereits an der Tür, als Lucy sagte: »Warum sollte ich dich an der Erziehung meines Kindes teilhaben lassen?«
»Warum nicht?«, erwiderte er und kehrte ins Zimmer zurück. »Ich bin sein Vater.«
»Weil …« Als er sich ihr näherte, blitzten ihre blauen Augen erschrocken auf, und sie erhob sich hastig.
»Warum nicht, Lucy?«
»Weil du …«
»Was?«
»Weil du ein Homo bist!«
Ein paar Sekunden lang starrte Percy seine Frau erstaunt an, dann brach er in Lachen aus. »Lucy, glaubst du das wirklich?«
Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Stimmt’s etwa nicht?«
»Nein, Lucy.«
»Hast du vor mir je mit einer Frau geschlafen?«
»Ja«, antwortete er, immer noch belustigt.
»Wie oft?«
»Oft genug, um sicher sein zu können, dass ich keinen ungebührlichen Einfluss auf unseren Sohn ausüben werde.«
»Das glaub ich dir nicht. Es ist die einzige Erklärung, die Sinn ergibt.« Sie verfolgte mit halb gesenkten Lidern seine Reaktion, als sie ihren Morgenmantel auseinanderschob und ihren nackten Körper enthüllte. Ein kleiner Bauch zeugte
von ihrer Schwangerschaft. Sie wölbte die Hände um ihre angeschwollenen Brüste. »Wie kannst du die nicht begehren? Jeder Mann, der mich je gesehen hat, wollte sie berühren.« Sie trat einen Schritt auf ihn zu. »Sind sie nicht schön, Percy? Warum bist du so kalt?«
»Lucy, hör auf damit«, sagte Percy leise und schloss ihren Morgenmantel. Er begehrte sie durchaus, fand ihren schwangeren Körper erotisch attraktiv und hätte sie am liebsten zum Bett getragen, doch er wusste, dass der Sex sie wieder enttäuschen und die Lage noch komplizierter machen würde.
Mit wütender und frustrierter Miene schlang sie den Morgenmantel enger um den Leib. »Du Schwein! In die Nähe unseres Sohnes kommst du mir nicht. Er wird ganz mir gehören, Percy, dafür sorge ich. Einen Homo lasse ich nicht an meinen Sohn heran! Homo, Homo, Homo …«, rief sie ihm nach, als er aus dem Zimmer ging und leise die Tür hinter sich schloss.
SIEBENUNDDREISSIG
D as alte Jahr ging zu Ende, und 1922 brachte Verbesserungen und Neuanschaffungen für die unterschiedlichen Geschäfte des Howbutker-Triumvirats mit sich. Hoagy Carter hatte in Marys Abwesenheit Somerset erstaunlich erfolgreich geleitet und eine Ernte eingefahren, die es ihr nicht nur ermöglichte, das Darlehen von der Howbutker State Bank zurückzuzahlen, sondern auch ein verbessertes Bewässerungssystem für die Plantage zu finanzieren. Die Warwicks erwarben mehrere Tochtergesellschaften aus der Holzbranche, was zu einer Umbenennung des Unternehmens in Warwick Industries führte, und Ollie DuMont eröffnete ein zweites Warenhaus in Houston.
Als das Jahr sich dem Ende zuneigte, wurde Lucy allmählich kugelrund, so dass sie nur noch behäbig watscheln konnte, und ihre babyweiche Haut glänzte permanent vor Schweiß. In den letzten Wochen der Schwangerschaft, in denen sie zunehmend ans Haus gefesselt war, schien ihr Verhältnis zu Beatrice enger zu werden. Mehrmals sah Percy die beiden Frauen, wie sie zusammen Babykleidung nähten und miteinander plauderten wie alte Freundinnen.
»Es stimmt mich traurig, ihre Reaktion zu sehen, wenn du das Zimmer betrittst«, beklagte sich Beatrice eines Tages bei ihrem Sohn. »Wie ein Welpe, der knurrt und gleichzeitig
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