Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Jungen hättest du mir vielleicht die Zähne eingeschlagen, aber nur für deinen geliebten Sohn hast du damit gedroht, mich umzubringen.«
»Wyatt …«, begann Percy und verstummte gleich wieder.
»Ist schon okay, Dad. Ich hab dir nie Vorwürfe für deine
Liebe zu Matthew gemacht. Mein Gott …« Er lachte auf. »Jeder hat ihn geliebt, sogar Ma.« Er hielt kurz beim Packen inne, um seinem Vater einen Blick zuzuwerfen, der keinen Widerspruch duldete. »Aber niemand mehr als ich. Ich habe Matthew niemals gehasst, sondern immer beneidet. Das hast du richtig erkannt. Allerdings nicht, weil er war, was ich nie sein konnte, sondern weil er besaß, was ich wollte … worauf ich meiner Ansicht nach ein Recht hatte. Ich habe ihn deiner Hochachtung und Anerkennung wegen bestraft, die ich, dein Sohn, nicht erringen konnte. Als mir dann klar wurde, wer er war …« Er stellte den Matchsack aufs Bett. »… habe ich manches begriffen.«
Percy hätte ihn am liebsten daran gehindert, die Kordel des Matchsacks zuzuziehen. »Hattest du nie Zweifel an deiner Theorie?«
»Nein, Sir«, antwortete Wyatt und schloss den Sack. »Später am Abend hab ich deinen Streit mit Ma mitgekriegt, in dem du zugegeben hast, dass Matthew dein Sohn ist. Ich war runtergekommen, um mich zu entschuldigen und dir zu versprechen, dass ich ihm nie wieder wehtun würde.«
Percy stützte sich am Bettpfosten ab. »Du hast alles gehört?«
»Ja. Es hat vieles erklärt.«
Percy schluckte, um das Dröhnen in seinen Ohren loszuwerden. »Und deshalb sind wir uns nie nähergekommen.«
»O doch, Dad – auf die einzige Weise, die uns vergönnt ist. Ich möchte nicht, dass du meinst, Matthew hätte etwas mit unserem Verhältnis zueinander zu tun gehabt. Auch ohne ihn hättest du nichts für mich empfunden. Der Vergleich mit Matthew hat nur alles schlimmer gemacht. Ich sehe es so: Dadurch, dass ich damals die Wahrheit erfuhr, habe ich einen Bruder gewonnen.«
Und einen Vater verloren , dachte Percy voller Sehnsucht,
die Hand nach ihm auszustrecken und ihn das erste Mal im Leben zu umarmen. Ich liebe dich … Ich liebe dich , hätte er fast ausgerufen. Doch Wyatt hätte nicht geglaubt, dass diese Worte von Herzen kamen. Vergib mir … Aber er fürchtete Wyatts Antwort.
»Noch etwas«, sagte Percy schließlich. »Hast du es Matthew je erzählt?«
»Nein, er hatte keine Ahnung. Matthew besaß keine große Begabung, Dinge zu durchschauen. Er hat die Welt immer so genommen, wie sie sich präsentierte.« Wyatt deutete auf den Schreibtisch. »In der untersten Schublade sind Matthews Trikot und das Buch, das er mir mal zum Geburtstag geschenkt hat. Eigentlich würde ich sie gern als Glücksbringer mitnehmen, aber ich möchte nicht, dass sie verloren gehen. Falls ich nicht zurückkomme, gehören sie dir.«
Percy nickte wortlos, als sein Sohn den schweren Matchsack über die Schulter schwang und sich noch einmal in seinem Zimmer umsah. Wyatt hatte ihn also immer geachtet. Immerhin blieb ihm das.
»Tja, das wär’s dann wohl.« In Wyatts Augen lag weder Vorwurf noch Arglist. »Ich glaube, es ist das Beste, wenn du uns nicht zum Bahnhof begleitest, Dad. Du und Ma, ihr würdet euch bloß streiten; erspart mir diesen letzten Eindruck. Sie wird später Karten spielen. Ihre Freundinnen helfen ihr sicher, über ihren Schmerz hinwegzukommen.« Als er Percy die Hand hinstreckte, ergriff dieser sie und drückte sie fest. Zu seiner Bestürzung traten ihm Tränen in die Augen.
»Ich wünschte … Ich wünschte, alles wäre anders gewesen zwischen uns.«
Wyatt schüttelte den Kopf. »Ein Mann kann sich seine Söhne nicht aussuchen. Die Dinge waren nun mal, wie sie waren. Ich bin froh, dass Matthew den Krieg nicht mitmachen muss.« Sie lösten die Hände voneinander. »Pass auf Ma auf,
so gut du kannst … vorausgesetzt, sie lässt dich«, fügte er hinzu und verzog den Mund zu einem Grinsen, das ihm gut zu Gesicht stand.
»Wir versuchen einen neuen Anfang, wenn du wieder da bist«, schlug Percy vor.
Erneut schüttelte Wyatt den Kopf. »Das würde nichts ändern. Ich bin ich, und du bist du. Bis dann, Dad. Ich schreibe.«
Er hielt Wort. Percy verschlang seine Briefe, in denen er den Weg seiner Einheit im Südpazifik von Guam nach Iwojima schilderte. Wyatt tat sich hervor, wie Percy es erwartet hatte, und wurde für seinen Mut im Kampf ausgezeichnet. Percy las seine Zeilen und Zeitungsberichte über Dschungelkrieg, Hinterhalte und japanische Gräueltaten, über
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