Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Schock für sie, Mary«, erklärte er, während er ihr übers Haar strich. »Deine Mutter fühlt sich betrogen, und Miles ist ihretwegen wütend, nicht seinetwegen.«
»Ich kann genauso wenig dafür, dass Papa Somerset mir hinterlassen hat, weil ich die Plantage liebe, wie Mama und Miles dafür, dass sie ihnen gleichgültig ist.«
»Stimmt«, pflichtete er ihr bei. »Aber du könntest das, was geschehen ist, wieder ins Lot rücken.«
»Und wie?«, fragte sie und hob den Blick.
»Verkauf Somerset, sobald du einundzwanzig bist, und teil den Erlös unter euch auf.«
Mary starrte ihn entgeistert an und löste sich aus seiner Umarmung. »Somerset verkaufen?« Sie sah ihn ungläubig an. »Um Mama und Miles milde zu stimmen?«
»Um deine Beziehung zu ihnen zu retten.«
»Soll ich sie mir etwa erkaufen ?«
»Du übertreibst, Mary, entweder, weil du dein Gewissen entlasten möchtest, oder weil deine Besessenheit von Somerset dich so blind macht, dass du die wahren Gründe für den Kummer deiner Mutter und deines Bruders nicht mehr erkennst.«
»Die sehe ich sehr wohl«, rief Mary aus. »Ich weiß ganz genau, wie Mama und Miles sich fühlen! Ihr scheint allerdings nicht zu begreifen, dass es für mich Ehrensache ist, die Wünsche meines Vaters zu erfüllen.«
»Im Testament steht nichts davon, dass du die Plantage nicht verkaufen darfst, wenn du einundzwanzig bist.«
»Würde sie jetzt mir gehören, wenn er mit einem Verkauf gerechnet hätte?«
»Was passiert, wenn du heiratest und dein Mann seine Frau nicht mit einer Plantage teilen will?«
»Ich würde niemals einem Mann das Jawort geben, der meine Gefühle für Somerset nicht versteht und unterstützt.«
Percy verstummte, bückte sich nach Marys Haarband, das auf den Boden gefallen war, hob es auf und legte es ihr ordentlich gefaltet auf die Schulter. »Woher willst du wissen, dass du keinen Mann lieben könntest, der Somerset nicht die gleichen Gefühle entgegenbringt wie du? Du kennst doch nur die Welt von Howbutker, der Plantage und den Tolivers. Und das ist ein sehr kleines Leben, Mary.«
»Darüber hinaus interessiert mich nichts.«
»Solange du sonst keine Erfahrungen machst, kannst du das nicht behaupten.«
»Doch. Außerdem werde ich vermutlich nicht in die Lage kommen, jemals etwas anderes kennenzulernen, oder?«
Da hörten sie Miles und Ollie auf der Treppe. Zu ihrer Überraschung bedauerte Mary ihr Auftauchen genauso wie die Tatsache, dass sie Percys tröstende Arme nicht mehr um
sich spürte. So körperlich nahe war sie ihm noch nie zuvor gewesen. Nun wusste sie um die winzige Sommersprosse unter seinem linken Auge und um den faszinierenden Silberrand um seine Pupillen. »Du hast meine Entscheidungen schon immer missbilligt, stimmt’s?«
Percy runzelte die Stirn. »Missbilligt ist nicht der richtige Ausdruck«, antwortete er.
»Dann eben: Du hast mich nie gemocht.«
»So würde ich das auch nicht sagen.«
»Was ist dann das richtige Wort?« Ihre Wangen glühten.
Bevor er ihre Neugierde befriedigen konnte, betrat Miles, den keuchenden Ollie im Schlepptau, den Raum.
»Da bist du ja!«, rief ihr Bruder aus, und einen Augenblick lang glaubte Mary, er meine sie. Doch er wandte sich Percy zu. »Ich dachte schon, du wärst gegangen. Bleibst du zum Essen? Es ist genug da, ich müsste nur Sassie Bescheid sagen.«
»Ich hab leider keine Zeit«, entschuldigte sich Ollie mit einem Blick auf Mary, der zeigte, dass er lieber geblieben wäre. Sie erwiderte sein freundliches Lächeln.
»Ich fürchte, ich hab auch keine«, schloss Percy sich ihm an. »Wir bekommen Besuch; Mutter erwartet mich zu Hause.«
»Wen?«, erkundigte sich Miles.
»Die Tochter von Mutters Zimmergenossin in Bellington Hall in Atlanta und deren Vater. Die Kleine möchte diesen Herbst dort anfangen. Ihre Mutter ist gestorben; sie besuchen uns, um sich über die Schule zu unterhalten.«
»Das ist jedenfalls der Vorwand, unter dem ihr Papa sie herbringt«, sagte Ollie mit einem vielsagenden Zwinkern zu Miles.
»Ihr Vater scheint tatsächlich Hintergedanken zu haben, und meine Mutter vermutet auch, dass das Ganze eine Finte
ist«, gab Percy zu. »Aber glauben nicht die meisten Mütter, alle Mädchen seien hinter ihren Söhnen her?«
Hier ist ein Mädchen, bei dem Beatrice sich keine Gedanken machen muss , dachte Mary, obwohl sie unerklärliche Eifersucht bei der Vorstellung empfand, eine andere könnte beim Essen Percys Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie wandte sich Ollie zu und
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