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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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legte eine Hand auf seinen Arm. »Ollie, willst du wirklich nicht bleiben? Dein fröhliches Wesen würde uns heute Abend sicher aufmuntern.«
    »Liebend gern, Mary Lamb, aber ich muss meinem Vater beim Abschluss der Sommerinventur im Geschäft helfen. Vielleicht morgen Abend, wenn die Einladung dann noch gilt.«
    »Für dich immer, Ollie.«
    Percy, dem nicht aufzufallen schien, dass sie ihn nicht dazubat, bedachte sie mit seinem üblichen Grinsen. »Wir unterhalten uns ein andermal weiter, Gypsy. Merk dir, wo wir stehen geblieben sind.«
    »Kann schon sein, dass ich das vergesse«, erwiderte Mary, verärgert über den verhassten Spitznamen.
    »Das glaube ich nicht.«
    »Die Kleine, die euch besucht … Wie heißt sie und wie ist sie?«, fragten seine Freunde ihn auf dem Weg zur Tür.
    »Lucy Gentry; sie scheint ganz nett zu sein. Mit ihrem Vater kann ich allerdings nicht viel anfangen.«
    Den Rest des Gesprächs bekam Mary nicht mehr mit. Von einem Fenster aus blickte sie den »Jungs« – so nannten die Familien sie – nach, wie sie den Weg hinuntergingen zu ihren nagelneuen Pierce-Arrows, Geschenken ihrer Väter zum Studienabschluss. Im Juni hatte Miles erstaunt und enttäuscht feststellen müssen, dass auf ihn kein solches Fahrzeug wartete. Auch der Stall war noch nicht in eine Garage umgewandelt worden, weil die Tolivers keines der neuen Gefährte ohne
Pferdeantrieb besaßen. Miles hatte vielmehr ein aufwändig gebundenes Lexikon erhalten, das er als künftiger Geschichtslehrer gut gebrauchen konnte.
    Eine merkwürdige Traurigkeit überkam Mary. Gern hätte sie das Gespräch mit Percy fortgesetzt, um herauszufinden, wie er seine Gefühle für sie benannte. Nun, sie konnte es sich denken: Mitleid mit ihr als Toliver, die ihr Erbe zu ernst nahm. Sie begriff nicht, warum Percy das seine so unwichtig zu sein schien. Schließlich war er der Alleinerbe seiner Familie und musste als solcher die Tradition fortführen. Ollie hingegen betrachtete seine Verantwortung den DuMonts gegenüber trotz seines augenscheinlich lockeren und fröhlichen Wesens bedeutend ernsthafter. Besonders verärgerte Mary Percys Verachtung für das, was er ihre »Besessenheit« von Somerset nannte, weil er selbst dem väterlichen Holzhandel nicht die gleichen Gefühle entgegenbrachte.
    Das wurde aus Leuten, die ihre Wurzeln verleugneten … Die Warwicks und die Tolivers waren als Baumwollpflanzer nach Texas gekommen; Percys Familie hatte sich dem Holzgeschäft zugewandt, während die Tolivers ihrer Berufung treu blieben. Eins war Mary nun sonnenklar: Percy verstand die Warwick Lumber Company als reine Einkommensquelle, während Somerset für Mary einen Lebensstil verkörperte.
    Zufrieden über diese Erkenntnis, ging sie ins Esszimmer, wo der lange Mahagonitisch wie gewohnt für sie und Miles gedeckt war. Ihr Bruder saß bereits. Sie verzehrten ihre Mahlzeit im grellen gelben Schein der Kerosinlampen schweigend und in Gesellschaft der verwaisten Stühle ihrer Eltern. Wer ist diese Lucy Gentry? , fragte sich Mary, während sie sich zwang, etwas zu essen. Und hatte sie es tatsächlich auf Percy abgesehen, wie dessen Mutter ihr unterstellte?

SIEBEN
    M ary, könntest du einen Augenblick ins Arbeitszimmer kommen?«
    Mary hob erstaunt den Blick von den Augenbohnen vor sich und sah Miles an, der an der Tür stand. »Selbstverständlich«, antwortete sie, nichts Gutes ahnend. Er war jetzt immer so schroff, nicht mehr der sanft-neckende Bruder von früher. Sie schüttete die Bohnen in den Korb auf Sassies Schoß, die fragend die Augenbrauen hob. Im vergangenen Monat hatte die Haushälterin mehrfach bemerkt, was für eine »verdammte Schande« es sei, wie Mister Miles seine kleine Schwester behandle.
    Mary folgte ihrem Bruder artig in den Raum neben der Bibliothek, von dem aus ihr Vater die Plantage geleitet hatte und den Miles nun »das Arbeitszimmer«, nicht mehr »Papas Büro« nannte. In letzter Zeit hatte Miles sich häufig mit den roten Kladden von Somerset unter dem Arm hierher zurückgezogen. Am liebsten hätte Mary ihn gefragt, ob sie einen Blick hineinwerfen dürfe, doch das wagte sie nicht. Jetzt war nicht der geeignete Zeitpunkt, auf ihre Rechte als Eigentümerin zu pochen und sich über seinen Führungsstil aufklären zu lassen. Mary fürchtete, Miles würde seine marxistischen Theorien in die Tat umsetzen, die früher bei Tisch oft zu Disputen zwischen Vater und Sohn geführt hatten.
    Vernon Toliver war immer der Überzeugung gewesen,

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