Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
Vom Netzwerk:
Wenn du das hier liest, verstehst du, was Papa meinte … und seine Sorge.«
    Ein ungutes Gefühl überkam sie. Ihr war nicht bewusst gewesen, dass ihr Großvater und ihr Vater die Einzigen waren, die das Erbe von Somerset weiterführen konnten. Sie hatten beide mehrere Geschwister gehabt, die alle gestorben waren. Wo hatte dieses Buch die ganze Zeit geschlummert? Hatte ihr Vater es ihr absichtlich vorenthalten?
    Miles hob ihr Kinn mit kühlen Fingern an. »Und«, fragte er mit sanfter Stimme, »gehst du nun nach Bellington Hall?«
    Sie rang sich die Antwort ab. »Ja.«
    »Gut, dann wäre das also geregelt.« Miles rückte seine Manschetten zurecht, um ihr das Ende des Gesprächs zu signalisieren.
    »Lucy meint, dass es dir in Bellington Hall gefallen wird«, bemerkte Miles, als Mary die Tür erreichte.
    Sie sah ihn an. »Wie ist diese Lucy?«
    »Nicht so hübsch wie du, falls du das meinst.«
    Mary errötete. »Natürlich nicht!«
    »Unsinn. Natürlich doch. Sie ist klein und zierlich, mit den Rundungen an den richtigen Stellen. Süß, würde ich sagen. Ich mag sie, bezweifle aber, dass sie dir gefallen wird. Warum wolltest du sie bei ihrem Besuch nicht kennenlernen?«
    »Ich war in Trauer, falls du das nicht gemerkt hast, Miles.«
    »Eine solche Ausrede ist deiner nicht würdig. Du warst neidisch, dass sie so viel Zeit mit Percy verbracht hat.«
    »Quatsch«, meinte Mary voller Verachtung. »Warum muss ich das Zimmer mit ihr teilen, wenn du glaubst, dass ich sie nicht mögen werde?«
    Miles tauchte seinen Federhalter ins Tintenfass. »Weil wir das für das Beste für euch beide halten«, antwortete er und begann zu schreiben.
    Sie wusste, dass er ihrem Blick absichtlich auswich. »Wer ist ›wir›? Du? Percy? Seine Mutter?«
    »Beatrice und Percy haben nichts damit zu tun. Der Vorschlag kam von Lucy, als ich erwähnt habe, dass ich mit dem Gedanken spiele, dich nach Bellington Hall zu schicken, doch es war meine Entscheidung. Ihr könnt aufeinander aufpassen und habt viele Gemeinsamkeiten. Zum Beispiel besitzt ihr beide kein Geld, was Neid verhindert. Ihr seid im selben Alter. Es ist die perfekte Lösung. Ich habe bereits mit der Schulleiterin darüber gesprochen.«
    Mary bedachte Miles mit einem wütenden Blick. Waren alle Männer dumm oder nur ihr Bruder? Von wegen Gemeinsamkeiten! Von Sassie, die es ihrerseits von der Köchin der Warwicks erfahren hatte, wusste sie, dass das Mädchen völlig vernarrt in Percy war. Somit war er ihre einzige Gemeinsamkeit. Lucy erachtete sie vermutlich als Verbindung zu Warwick Hall.
    »Sonst noch was?«, fragte Miles.
    Der kurze Moment der Nähe war unwiederbringlich vorbei. Mary empfand nur noch kühle Abneigung gegen ihren Bruder. Das Buch gegen die Brust gepresst, riss sie wortlos die Tür auf.
    »Viel Spaß beim Lesen«, rief Miles ihr nach, als sie sie zuknallte. »Ich hoffe, die Lektüre raubt dir nicht den Schlaf.«
    Sie streckte den Kopf noch einmal zu ihm hinein. »Bestimmt nicht, denn ich glaube nicht an Flüche. Ich habe vor, viele Kinder zu bekommen.«
    »Tja dann«, meinte Miles.
    In ihrem Zimmer setzte Mary sich mit dem Buch auf die Fensterbank, um es sich genauer anzusehen. Der alte Ledereinband wurde durch eine Lederschnur zusammengehalten, die durch zwei Ösen lief und mit einem festen Knoten zusammengebunden war. Trotz ihres unguten Gefühls schlug sie die erste Seite auf.
    Einige der genealogischen Fakten kannte sie bereits, andere hingegen nicht. Silas Toliver, ihr Urgroßvater und Patriarch des Clans, war 1806 zur Welt gekommen und im Alter von dreißig Jahren mit seiner Frau und seinem Sohn Joshua nach Texas übergesiedelt. 1837 wurde ein zweiter Sohn, Thomas Toliver, Marys geliebter Großvater, geboren. Joshua starb mit zwölf an den Folgen eines Sturzes vom Pferd. Sein Bruder übernahm die Leitung von Somerset 1865 nach dem Tod von Silas. Im selben Jahr wurde Thomas stolzer Vater eines Sohnes namens Vernon, Marys Vater. Dann folgten ein weiterer Sohn sowie eine Tochter, die beide nicht mehr lebten, als Vernon Somerset erbte. Sein Bruder war mit fünfzehn am Biss einer giftigen Wasserschlange gestorben, und seine Schwester hatte mit zwanzig bei der Totgeburt ihres einzigen Kindes das Zeitliche gesegnet, so dass Vernon der einzige Toliver-Erbe war.
    Verblichene Fotografien aller Tolivers begleiteten die Chronik, die Mary nun betrachtete. Die Kinder wirkten auf den Bildern lebhaft und gesund, waren jedoch samt und sonders unerwartet aus dem Leben

Weitere Kostenlose Bücher