Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
Vom Netzwerk:
zusammengepressten Lippen den Arm hin, und gemeinsam machten sie sich daran, Sohn und Bruder zu begrüßen.
    »Miles?«, fragte Mary, als wäre sie nicht sicher, ob es sich tatsächlich um ihren Bruder handelte, und überlegte dabei, ob er eine Umarmung zulassen würde.
    Miles sah sie verblüfft an. »Mary? Bist du das? Mein Gott, bist du schön! Ich eher nicht so, oder?« Er lächelte mit einem Anflug seiner früheren Ironie; dabei kamen Zähne zum Vorschein, die bereits die ersten Spuren des Verfalls trugen. »Wo ist Mama?«
    »Zu Hause, Miles. Sie freut sich, dich wiederzusehen. … Genau wie ich.« Mary spürte, wie ihr Kinn zu zittern begann und ihre Augen feucht wurden.
    Miles stellte die Taschen ab und streckte die Arme nach ihr aus. »Dann komm her und lass dich umarmen.«
    Sie drückte ihn, entsetzt über seinen ausgezehrten Körper, fest an sich. »Du bist ja nur noch Haut und Knochen«, stöhnte sie. »Das wird nicht leicht für Sassie, dich wieder aufzupäppeln.«
    »Wie geht’s ihr?«
    Die ehrliche Antwort hätte lauten müssen: Sie ist müde, Miles, und erschöpft von der Pflege unserer Mutter sowie von der Aufgabe, den Haushalt ganz allein zu führen und mit unseren begrenzten Mitteln etwas auf den Tisch zu zaubern. Doch sein Kampf war schlimmer gewesen als der ihre. »Wie immer«, antwortete sie. »Aber sie ist älter geworden und ermüdet schneller.«
    »Und Mama?«
    »Für die gilt leider das Gleiche. Später erzähle ich dir mehr.«
    Da nahm sie eine Bewegung hinter sich wahr. »Hallo, Mary Lamb.«
    Ollie – derselbe wie eh und je und doch so verändert. Obwohl ihm die Uniform am Körper schlotterte, zwinkerte er ihr zu wie früher. Sein Vater, der sich bis dahin zusammengerissen hatte, wandte sich Miles zu und umarmte ihn mit einem hörbaren Schluchzen.
    »Lieber Ollie«, begrüßte sie ihn, und Tränen traten ihr in die Augen, als sie sich zu ihm beugte, um ihn leicht auf die Lippen zu küssen. »Willkommen daheim.«
    Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Das allein war es wert, nach Hause zu kommen. Du bist noch schöner, als ich dich in Erinnerung hatte. Findest du nicht auch, Miles?«
    »Ja«, bestätigte ihr Bruder mit rauer Stimme. »Wenn ich sie nicht so gut kennen würde, müsste ich mir vermutlich Sorgen machen, dass ihre Schönheit ihr zu Kopf steigt.«
    »Tja, das macht einen Teil des Reizes aus«, meinte Ollie.
Während Miles Abel das Gepäck seines Sohnes zeigte, ergriff Ollie Marys Hand und drückte sie. »Danke für die Briefe.«
    »Sie sind also angekommen?«
    »Ja, vier. Percy war höllisch eifersüchtig, weil du sie an mich adressiert hast, und ich hab ihn schmoren lassen. Geschieht ihm recht.«
    »Sie waren für euch alle gedacht; das wusste er sicher. Findest du es unpatriotisch von mir, euch nicht einzeln zu schreiben?«
    »Ach was. Er hat genug Post von anderen Mädels gekriegt.«
    »Aha.« Über seine Schulter sah sie, wie Percy versuchte, sich aus Lucys Umarmung zu befreien.
    »Aber nur auf deine Briefe hat er gewartet«, vertraute Ollie ihr mit leiser Stimme an.
    Sie blickte ihm tief in die Augen. »Ollie? Du hast dich doch nicht etwa auf absurde Weise für Percy und mich geopfert, oder?« Gleichzeitig schoss ihr ein anderer Gedanke durch den Kopf: Was, um Himmels willen, wäre geschehen, wenn er es nicht getan hätte?
    »Wieso sollte ich so etwas für Percy und dich tun?«, fragte er zurück und ließ einen Finger über ihr Kinngrübchen gleiten.
    »Jetzt bin ich dran, Ollie«, hörte sie da Percys Stimme hinter sich, und sie bekam weiche Knie.
    »Bitte sehr«, sagte Ollie bedauernd und machte mit seinen Krücken einen kleinen Sprung zurück.
    Mary hatte genauso oft über Percys Heimkehr nachgedacht wie über seinen Abschied … Was sie sagen und tun würde. Aller Augen wären in der Hoffnung auf eine romantische Szene auf sie gerichtet, doch sie würde niemandem Grund zum Klatsch und Percy keinen Anlass zu Hoffnung geben – falls er sie immer noch heiraten wollte.
    Aber jetzt, da er tatsächlich hier war, vergaß sie die Worte, die sie sich zurechtgelegt hatte. Ohne nachzudenken, streckte sie die Hand aus, nicht, um die seine zu schütteln wie in ihrer Phantasie, sondern um sie über seine vom Krieg gehärteten Wangenknochen gleiten zu lassen. »Hallo, Percy«, begrüßte sie ihn. Mehr brachte sie nicht heraus.
    »Hallo, Gypsy.« Er stand entspannt da wie immer, die Hände in den Hosentaschen. »Warum hast du mir nicht geschrieben?«
    »Ich …«

Weitere Kostenlose Bücher