Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Verdammt!« Einen Arm auf den Sims gestützt, beugte er sich vor und wartete auf eine Antwort.
Mary wagte nicht, sich zu bewegen, schloss die Augen und presste ihrerseits die Faust gegen den Mund, um nicht die Tür zu öffnen und sich in seine Arme zu werfen.
»Na schön«, sagte er schließlich und richtete sich mit entschlossenem
Blick wieder auf. »Vielleicht ist heute nicht der richtige Zeitpunkt, aber morgen. Erwarte mich morgen.«
Mary verharrte reglos, bis sie die Scheinwerfer des Pierce-Arrow die Straße entlangwandern sah. Erst dann atmete sie tief durch. Morgen wäre in der Tat ein besserer Zeitpunkt, wenn die Gemüter sich beruhigt hätten. Sie würde Sassie bitten, ihn am Nachmittag zum Kaffee einzuladen, frühzeitig von der Plantage heimkehren, sich in Schale werfen, ihre rauen Hände pflegen, bereit sein für ein Treffen mit ihm.
Am nächsten Morgen stand sie früh auf und war bereits um sieben Uhr mit den Pächtern auf den Feldern, um vor dem Herbstregen die letzten Reihen abzuernten. Mary leerte gerade Jutesäcke in einen Wagen, mit dem die Ausbeute zur Wiegestelle gebracht werden sollte, als einer der schwarzen Pächter ihr auf die Schulter tippte. »Miss Mary, da möchte Sie jemand sehen.«
Sie beschirmte die Augen mit einer Hand und schaute in die Richtung, in die er wies. »O nein …« Percy stapfte mit fliegenden Rockschößen zwischen den Reihen abgeernteter Baumwollsträucher auf sie zu. Sie blähte die Backen. Ausgerechnet hier musste er sie aufsuchen, wo sie und Somerset am schlechtesten aussahen. Schicksalsergeben nahm sie ihren breitkrempigen Hut ab, wischte sich mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn und ging ihm entgegen.
Er blieb stehen und wartete. Typisch Mann, dachte sie verärgert und erwartete fast, dass er die Hände in die Hüften stemmen und sie mit gerunzelter Stirn missbilligend mustern würde. Doch das tat er nicht. Er schob die Hände in die Taschen, und seine Miene war ausdruckslos.
Sie trug ein altes Flanellhemd ihres Vaters mit aufgekrempelten Ärmeln und eine weite, fleckige Hose, die in abgewetzten Arbeitsstiefeln steckte. Einen Hut setzte sie erst seit Kurzem auf, seit sie festgestellt hatte, dass ihre Haut allmählich
braun wie eine Walnuss wurde und die Jungs bald nach Hause kämen. Handschuhe störten beim Pflücken letztlich nur, weshalb sie ihre alten, durchgewetzten weggeworfen hatte. Ihre Haare waren mit einer Lederschnur zurückgebunden, und ihr Gesicht und ihre Unterarme über und über schmutzig. Percy musste sie erscheinen wie die Landstreicherin, die oft an den Hintertüren der Häuser bettelte.
Mary blieb einige Meter von der Stelle stehen, an der er mit seinem makellosen Geschäftsanzug stand. Ihr war bewusst, dass die Pächter mit dem Pflücken aufgehört hatten und sie interessiert beobachteten. Wahrscheinlich fragten sie sich, was Mister Percy von der Warwick Lumber Company hier draußen bei ihnen wollte.
»Gegrüßet seist du Maria, voll der Gnade«, begrüßte Percy Mary.
Sie reckte das Kinn vor. »Ich wusste gar nicht, dass du ironisch sein kannst.«
»Du weißt noch eine ganze Menge nicht über mich.« Seine Augen funkelten vor Zorn. »Warum hast du mich gestern Abend vor verschlossener Tür stehen lassen?«
»Ich dachte, der Zettel wäre Erklärung genug.«
»Darauf stand, dass ihr alle früh zu Bett gegangen seid, aber du warst auf und hast mich von der anderen Seite des Salonfensters aus beobachtet, stimmt’s?«
Mary zögerte einen Moment, bevor sie antwortete: »Ja.«
»Behandelt man so einen Kriegsheimkehrer?«
»Nein, doch wir wissen beide, was passiert wäre, wenn ich die Tür geöffnet hätte, Percy.«
Er trat einen Schritt auf sie zu. »Na und? Wäre das denn so schlimm gewesen? Mein Gott, wir sind beide erwachsen.«
Mary bekam weiche Knie. Die Pächter, die sich mittlerweile wieder ihrer Arbeit zugewandt hatten, schauten gelegentlich neugierig über die Schulter zu ihnen herüber. Ob
sie hörten, was sie sagten? »Lass uns das Gespräch da drüben fortsetzen«, schlug sie vor und deutete auf den unter einem Baum abgestellten Pierce-Arrow.
»Gut«, sagte Percy und packte ihren Arm, als fürchtete er, sie wolle sich aus dem Staub machen.
Er hatte Becher und einen Vakuumbehälter mitgebracht, in dem sich Getränke warm halten ließen, ein neues Produkt, das man »Thermosflasche« nannte. Die Warwicks erwarben solche Spielereien immer als Erste. Percy schenkte ihnen Kaffee ein, dann half Mary ihm, ein Plaid im
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