Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Schatten eines Baumes auszubreiten, wo sie sich, durch den breiten Stamm und den Pierce-Arrow vor neugierigen Blicken geschützt, niederließen. Mary merkte, dass ihm ihre rissigen und zerstochenen Hände auffielen.
»Nun«, hob sie an, »du siehst ja, wie es ist. Hier draußen wird jeder gebraucht, auch ich. Daran wird sich nichts ändern, bis die Hypothek abbezahlt ist.«
»Das muss nicht so sein.«
»Doch.«
»Mary, schau mich an.« Er stellte seinen Becher ab und umschloss ihr Kinn mit festem Griff. »Liebst du mich?«
Sie nickte. »Ja. Ja, das tue ich.«
»Und wirst du mich heiraten?«
Sie zögerte mit der Antwort. »Das würde ich gern«, antwortete sie. »Aber lass mich dir auch eine Frage stellen: Würdest du mich und Somerset nehmen?«
»Nach meinem jetzigen Gefühl: ja. Ich habe die ganze Zeit in Europa nur an dich gedacht und will dich mehr denn je. Ein Leben ohne dich kann ich mir nicht vorstellen, und ich möchte es auch nicht. Die Antwort auf deine Frage lautet also: Ja, im Moment würde ich mich auf alles einlassen, wenn du mich nur heiratest.«
Das war die Antwort, die sie sich wünschte, aber trotzdem
brach sie, als sie sie hörte, fast in Tränen aus. Er war fünf Jahre älter als sie, gebildeter, weltgewandter und besaß mehr Menschenkenntnis, und doch hatte sie eine genauere Vorstellung als er davon, wie ihre Zukunft aussehen würde, wenn sie heirateten. In der vergangenen Nacht, kurz vor der Morgendämmerung, war sie zu einem Entschluss gelangt.
»Percy«, begann sie, nahm seine Hand von ihrem Kinn und drückte sie gegen ihr Herz, »du sprichst davon, wie du im Moment empfindest. Aber was wird sein, wenn sich unsere Gefühle füreinander erschöpfen? Was dann?« Sie erstickte seinen Versuch einer Erwiderung im Keim, indem sie ihm die Finger auf den Mund legte. »Ich verrate es dir. Irgendwann würdest du es satthaben, meine Liebe mit einer Plantage zu teilen. Du wärst eifersüchtig auf Somerset und wütend auf mich, weil das Anwesen dir, den Kindern, dem Familienleben und unseren gesellschaftlichen Verpflichtungen Zeit wegnehmen würde. Du würdest anfangen, Somerset und schließlich auch mich zu hassen.«
Ihre Stimme klang fest, aber auch bedauernd. Wohl schon zum tausendsten Mal fragte sie sich, wie sie einen solchen Mann ziehen lassen konnte. Aber wenn sie ihnen beiden gegenüber fair sein wollte, musste sie es tun. Percy musterte sie mit dem durchdringenden Blick, den sie nur allzu gut kannte. Sie hoffte, dass er in ihrem schmutzigen Gesicht und in ihren zerstochenen Händen die Zukunft von Somerset las: immer nur eine schlechte Ernte entfernt von der Verschuldung, eine Quelle permanenter Erschöpfung und Sorge. Früher hatte sie sich gern ein blühendes Anwesen und Kleidung vorgestellt, die einer wohlhabenden Pflanzerin gebührte, doch in den zwei Jahren, in denen sie sich mit faulen Pächtern, dem Baumwollkapselkäfer, der Unberechenbarkeit des Wetters und den Unwägbarkeiten des Baumwollmarkts hatte auseinandersetzen müssen, war dieses rosige Bild realistischer
geworden. Dennoch blieb sie eine Pflanzerin und eine Toliver, und egal, was die Zukunft brachte: Die beiden vergangenen Jahre hatten sie gelehrt, dass sie damit fertig werden würde.
Erst nach einer ganzen Weile sagte Percy: »Darf ich dir jetzt mein Bild von unserer Ehe beschreiben?«
»Wenn es sein muss.«
Er strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr. »Nenn es Einbildung, Arroganz oder die Macht der Liebe – ich glaube, dass ich dich dazu bringen kann, Somerset aufzugeben und dich von der Pflanzerin in dir zu verabschieden. Irgendwann wirst du deine Zeit und Energie gar nicht mehr darauf verwenden wollen, dich mit deinen Pächtern, dem Baumwollkapselkäfer und dem Wetter herumzuschlagen. Wenn dir erst klar ist, was ich dir zu bieten habe, wirst du immer mit mir zusammen sein und für mich und unsere Kinder ein Heim gestalten wollen, in dem du mich abends frisch und schön erwartest. Du wirst es vorziehen, den Sonntagmorgen in meinen Armen zu verbringen, und nicht mehr bei Sonnenaufgang aufstehen, um die Buchhaltung zu machen. Dein Toliver-Blut wird dir nicht mehr so wichtig sein, wenn du siehst, wie es sich in unseren Kindern mit dem meinen verbindet. Und eines Tages …«
Bevor Mary es sich versah, zog er sie zu sich heran und küsste sie so leidenschaftlich wie damals vor seiner Abreise. »Und eines Tages«, wiederholte er und ließ sie mit einem Lächeln und strahlenden Augen los, »wirst du dich fragen, wie
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