Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
mit meinen Kräften haushalten.« Marys Mutter legte die Zeitung beiseite und nahm die Brille von der Nase. »Hast du Beatrice gesprochen?«
Mary verzog das Gesicht. »Mama, tut mir leid, das habe ich völlig vergessen. Ich gehe heute Abend noch zu ihr.«
»Lass es sein.« Darla zog das Tuch enger um ihre knochigen Schultern. »Ich brauche ihre Hilfe bei der Vorbereitung des Festes nun doch nicht. Es soll für sie und alle anderen
eine genauso große Überraschung werden wie für dich. Aber zuvor hätte ich noch eine Idee.«
Mary fürchtete das Schlimmste. »Du willst nach wie vor Toby im Garten helfen?«
»Ja. Toby könnte wirklich Unterstützung gebrauchen. Haus und Garten sind in einem erbärmlichen Zustand. Ich werde meinen alten Sonnenhut und mein Übergewand aus der Mottenkiste holen müssen, weil ich keinen so dunklen Teint bekommen möchte wie du. Bestimmt schützt du dich immer noch nicht vor der Sonne. Du hast diese Haut nicht verdient, so, wie du damit umgehst …« Sie verstummte, als sie Mary grinsen sah. »Was ist so lustig?«
»Du.« Marys Grinsen wurde breiter. »Es freut mich, dass du mich wieder bemutterst wie früher.«
»Du hast nie auf mich gehört. Ich weiß gar nicht, warum ich mir die Mühe gemacht habe.«
»Vielleicht, weil ich dir wichtig war«, meinte Mary.
Offenbar hatte ihre Mutter die Hoffnung in ihrer Stimme bemerkt, denn ihr Gesicht wurde weicher, und sie tätschelte Marys Hand. »Ja, weil du mir wichtig warst«, bestätigte sie. »Das darfst du nie vergessen. Ich verrate dir jetzt meinen Plan: Ich möchte dir etwas zum Geburtstag stricken und muss gleich damit anfangen, weil ich sonst nicht fertig werde. Würdest du mich in die Stadt begleiten, zum Wollekaufen? Für ein paar Knäuel reicht unser Geld doch, oder?«
»Ja, Mutter. Du hast ein eigenes Konto bei der Bank, auf das ich monatlich die zwanzig Prozent einzahle, die dir zustehen.«
Mary bedauerte sofort, dieses Konto erwähnt zu haben, weil sie fürchtete, damit die Ressentiments ihrer Mutter gegen ihren Vater und dessen Testament zu wecken, doch Darla reagierte eher besorgt. »Die Mühe, auf die Bank zu gehen, will ich mir nicht machen. Kannst du mir nicht einfach das
Geld auslegen und nächsten Monat von dem Betrag an mich abziehen?«
Erleichtert antwortete Mary: »Natürlich kann ich das, aber du brauchst mir nichts zu stricken, Mama. Mir reicht als Geschenk die Freude darüber, dass du wieder auf den Beinen bist.«
»Nein«, widersprach Darla lächelnd und streichelte Marys Wange. »Es ist lange her, dass ich mit eigenen Händen etwas für mein Lämmchen gemacht habe. Mein Werk soll dich immer an mich erinnern.«
»Ich habe doch dich selber«, sagte Mary.
»Nicht ewig, Liebes. So gut meint die Zeit es mit keinem von uns.« Sie zog ihre Hand zurück. »Jedenfalls würde ich gern so schnell wie möglich anfangen. Könntest du mich morgen Nachmittag zu einem kleinen Einkaufsbummel in den Ort begleiten? Um Abels Geschäft machen wir einen weiten Bogen, weil seine Sachen bestimmt zu teuer sind.« Sie runzelte die Stirn, als sie sah, dass Mary schuldbewusst zusammenzuckte. »Was ist? Kommt dir das ungelegen?«
»Nein, natürlich nicht.« Mary rang sich ein Lächeln ab. Den Vormittag hatte sie bereits Sassie versprochen, und wenn sie nun noch den Nachmittag mit ihrer Mutter im Ort verbrachte, verlor sie einen ganzen Tag für die Plantage. Die Entwässerungsgräben sollten sauber gemacht werden; damit würden ihre Leute wohl allein beginnen müssen. Es war wichtiger, dass ihre Mutter aus dem Haus kam. »Wir werden einen ganzen schönen Tag miteinander verbringen«, versprach Mary, »und wenn wir von unserem Ausflug zurück sind, wärmen wir uns mit einer Tasse heißer Schokolade auf wie früher.«
»O ja«, sagte Darla und schlug die Zeitung so heftig zu, dass Mary das Gefühl hatte, sie wolle nicht an die Vergangenheit
erinnert werden. Von jetzt an würde Mary nur noch über die Zukunft reden.
Später sprach Mary in der Küche mit Sassie.
»War sie auch im Rosengarten?«
»Mhm«, meinte Sassie.
»Glaubst du, sie erinnert sich noch, was sie damit angestellt hat?«
»Mhm. Das kann mir niemand weismachen, dass sie sich nicht mehr dran erinnert, wie sie ihn mit dem Stemmeisen verwüstet hat. Toby meint, sie ist ein paar Minuten schweigend vor den Lancasters stehen geblieben. Die hat was vor, das weiß ich.«
»Mein Gott, Sassie«, rügte Mary sie in scharfem Tonfall. »Was soll sie denn sagen? Wie gedemütigt sie
Weitere Kostenlose Bücher