Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
letzten Kontakt mit ihm hatte sie gehabt, als er vorbeigekommen war, um ihr frohe Weihnachten zu wünschen und sie zum Festessen bei seiner Familie einzuladen. Sie hatte diese Einladung mit der Begründung ausgeschlagen, sie müsse bei ihrer Mutter bleiben. Da Sassie nicht sonderlich erpicht darauf gewesen war, wieder eine große Weihnachtsmahlzeit für schlechte Esser zuzubereiten, hatte Mary ihr und Toby den Weihnachtstag freigegeben, so dass Sassie ihn bei ihrer Enkelin und Toby ihn bei seinem Bruder verbringen konnte. Hinterher waren Percy und Ollie zur Hochzeit eines Kameraden vom Militär nach Dallas gefahren. Am Silvesterabend, hatte Mary erfahren, war Percy in Begleitung von Isabelle Withers, einer Bankierstochter, zum Tanz im Country Club gegangen.
Obwohl Marys Gedanken immerzu um die Plantage kreisten, quälte sie die Eifersucht. Isabelle war genau jener blonde, blauäugige Typ Frau mit Porzellanteint, den Mary Lucy als für Percy interessant beschrieben hatte. Sie erinnerte sich noch gut an Lucys Reaktion. Scheiß auf den Porzellanteint. Er will eine Frau, bei der er sich keine Sorgen machen muss, dass er
sie zerbricht, die er packen kann, die ihm ebenbürtig ist in seiner Leidenschaft …
Mary zwang sich, diese Sorgen zu verdrängen und sich der täglichen Plackerei zuzuwenden. Percy besaß das Recht, sich mit anderen Frauen zu treffen. Als Mann hatte er seine Bedürfnisse, und was wollte sie erwarten, wenn sie nicht bereit war, sie selbst zu befriedigen? Aber warum ausgerechnet Isabelle, dieses alberne, einfältige Ding? Bestimmt hatte er an ihrem Erwerb von Fair Acres Anstoß genommen. Percy wusste, wie viel Zeit und Energie ein solches Unternehmen raubte, und würde den Kauf als letzten Sargnagel für ihre Abmachung interpretieren.
Mehr darüber, wie die Dinge zwischen ihnen standen, würde sie erst erfahren, wenn er zu ihrem Fest käme.
Sie freute sich auf die Party und fürchtete sich gleichzeitig davor, weil sie eigentlich keine Zeit dafür hatte. Andererseits gab das Fest ihrer Mutter Anlass, sich mit ihrer äußeren Erscheinung zu befassen. »Ich muss mehr essen, damit ich Fleisch auf die Knochen kriege«, erklärte sie, wenn sie sich bei den Mahlzeiten einen Nachschlag holte. »Ich muss mich bewegen, damit ich rote Backen bekomme«, meinte sie, wenn Mary sie beobachtete, wie sie im Garten den Spaten schwang. Während der körperliche Erfolg ihrer Bemühungen sich nur langsam zeigte – Sassie berichtete Mary, dass ihre Mutter das Essen oft wieder von sich gab –, war Darla schon bald die gebieterische Hausherrin von früher.
»Mir war sie lieber, wie sie mir noch nicht ständig dazwischengeredet hat und auf die Nerven gegangen ist«, lautete Sassies Kommentar nach einem besonders anstrengenden Tag.
Mary betrachtete die Forderungen ihrer Mutter an den Haushalt mit gemischten Gefühlen. »Versuch’s stumm zu ertragen, Sassie. Ich kann dich gut verstehen.« Doch über die ungewohnte Zärtlichkeit und Zuneigung Darlas freute sich
Mary. Außerdem war sie erleichtert darüber, dass ihre Mutter nun morgens einen Grund hatte, das Bett zu verlassen. Seit ihrem Ausflug in den Ort stand sie bei Morgengrauen auf, zog sich an und ging nach unten, um die cremefarbenen Knäuel in etwas zu verwandeln, dessen Zweck allen, die das stetig wachsende Werk in dem Korb neben ihrem Schaukelstuhl sahen, verborgen blieb.
»Was soll denn aus der ganzen Wolle werden, Miss Darla?« , erkundigte sich Sassie.
»Mach dir darüber mal keine Gedanken, Sassie, mein Mädchen. Eine Überraschung für Mary zu ihrem zwanzigsten Geburtstag. Dann wird das Geheimnis gelüftet.«
»Ich weiß, Sie hören das nicht gern, Miss Mary, aber da ist was im Busch«, meinte Sassie später. »Ich krieg ’ne Gänsehaut, wenn ich sie so mit ihren Stricknadeln in ihrem Schaukelstuhl sitzen und in sich reinlächeln seh. Sie führt was im Schilde, das schwör ich Ihnen.«
»Sie ist mit ihren Gedanken in der Vergangenheit, Sassie, und erlebt wahrscheinlich einen schönen Moment ihrer Jugend noch einmal. Lass ihr diese Erinnerungen. Ist dir übrigens aufgefallen, dass die Familienfotos wieder auf dem Kaminsims stehen?«
Mary, Sassie und Toby bereiteten alles für das Fest vor. Man schrieb und verschickte Einladungen, plante die Speisenfolge, kaufte die Lebensmittel ein, putzte und lüftete das Haus von oben bis unten. Als Gäste wurden die Warwicks, Ollie und Abel, etliche andere Nachbarn sowie Emmitt Waithe und seine Familie erwartet.
Weitere Kostenlose Bücher