Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
ich sehe eine Möglichkeit, das Land zu erwerben. Bis wann müssen Sie es definitiv wissen?«
»Ich würde das Geschäft gern bis zum Ende der Woche abschließen, Mary. Mir ist bewusst, dass dir das für deine Entscheidung ziemlich wenig Zeit lässt, aber ich möchte am Ende des Monats hier weg sein. Wenn du das Land kaufst, bereite ich es noch für die Bepflanzung vor; damit endet meine Verantwortung. Und ich erwarte Bargeld. Tut mir leid, doch ich befinde mich einfach nicht in der Situation, in der ich einen Schuldschein akzeptieren könnte. Ich brauche das Geld jetzt und möchte alle meine Geschäfte abgeschlossen haben, bevor ich nach Europa gehe. Sie von jenseits des Atlantik aus weiterzuführen ist einfach zu kompliziert.«
Mary erhob sich und streckte ihrem Gastgeber die Hand hin. »Ich gebe Ihnen bis Ende der Woche Bescheid. Wie Sie wissen, muss ich mich zuerst mit Emmitt Waithe, dem Verwalter meiner Finanzen, besprechen.«
Jarvis Ledbetter legte seine Zigarre weg, stand ebenfalls auf und schüttelte Mary die Hand. »Meine Liebe, wenn es dir gelingt, Emmitt zu der Transaktion zu überreden, bist du noch toller, als ich ohnehin schon dachte. Viel Glück.«
Sie benötigte mehr als Glück, dachte Mary, als sie den Einspänner mit Shawnee über den Feldweg in Richtung Ort lenkte. Sie würde sich mindestens zwanzig gute Gründe einfallen lassen müssen, um Emmitt zu überreden, dass er ihre letzten Reserven für den Erwerb von Fair Acres freigab. Seit er von Miles als Treuhänder eingesetzt worden war, hatte er ihre Vorschläge für Ausgaben kein einziges Mal abgelehnt, aber in dieser Sache würde er widersprechen. Sosehr er Mary auch schätzte und ihre Führungsqualitäten bewunderte – seine Loyalität galt zuvörderst ihrem Vater. Sie waren eng befreundet gewesen. Kein anderer Mann im County hatte ihren Vater höher geachtet und mehr gemocht als er. Mary würde Emmitt dazu bringen müssen, über seinen eigenen Schatten zu springen. Er würde Vernon Tolivers Somerset bestimmt nicht für das aufs Spiel setzen, was er vermutlich als Flausen seiner Tochter erachtete.
Je länger sie darüber nachdachte, desto mehr hielt sie den Erwerb von Fair Acres für einen klugen Schachzug. Sie musste Emmitt erklären, dass sie einfach nur eine Vermögensform in eine andere überführte. Das Geld würde sie gegen Grund eintauschen, der mehr wert wäre als der Kaufpreis. Fiel die Ernte schlecht aus, konnte sie Fair Acres beleihen und in der kurzen Zeit, die sie benötigen würde, Somerset von den Schulden zu befreien, mit beiden Hypotheken jonglieren. Sie dachte lieber nicht darüber nach, was das für den Haushalt bedeutete, denn sie sparten ohnehin schon an allen Ecken und Enden.
Trotz der Mittagszeit traf sie Emmitt in seiner Kanzlei an.
»Mary, meine Liebe«, begrüßte er sie erstaunt und hörte sich den Grund für ihren Besuch an. »Ich hätte nicht gedacht,
dass eine junge Frau, die ihre Entscheidungen so gut überdenkt wie du, auf eine solche Idee kommt. Das Treuhandvermögen ist deine einzige Sicherheit. Ich kann es nicht für den Erwerb zusätzlichen Landes freigeben, der das bereits vorhandene Anwesen belastet.«
»Aber Mr Waithe«, flehte Mary ihn vor seinem Schreibtisch stehend an, weil sie zu nervös war, sich zu setzen. »Sie kennen diese Leute nicht. Sie wollen Fair Acres kaufen, um Somerset das Wasser abzugraben.«
Emmitt versuchte, sie mit einer Handbewegung zu beruhigen. »Ich muss zugeben, dass sie bei anderen Grundstücken genauso vorgegangen sind, und warum auch nicht? Das ist ihr gutes Recht und ergibt in wirtschaftlicher Hinsicht Sinn.«
»Sie könnten sich als sehr unangenehme Nachbarn erweisen. Von Fair Acres aus ließe sich Somerset auf unterschiedlichste Art schädigen.«
Emmitt hob skeptisch eine Augenbraue. »Und wie?«
»Zum Beispiel könnten sie die Bewässerung vom Sabine River sabotieren. Die Tolivers und die Ledbetters haben die Kanäle durch die beiden Grundstücke immer offen gehalten. Die Bank könnte das Wasser vielleicht umleiten oder sogar stauen. Ohne Bewässerung ist Somerset dem Untergang geweiht. Außerdem könnte die Bank of Boston sich weigern, uns bei der Schädlingsbekämpfung zu unterstützen. Mr Ledbetter und ich haben unsere Felder gleichzeitig besprühen lassen, weil die Bemühungen des Einzelnen sinnlos gewesen wären. Es gibt bestimmt noch andere Möglichkeiten, mich zu ruinieren, die mir bisher gar nicht in den Sinn gekommen sind. Beispielsweise durch
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