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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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Mary holte ein altmodisches rotes Taftkleid für sich selbst aus der hintersten Ecke ihres Schranks – sie konnte sich jetzt schon vorstellen, wie Abel die Augen verdrehen würde, wenn er sie sah – und bestellte für ihre Mutter einen Traum aus bernsteinfarbenem Samt aus dem Warenhaus der DuMonts.
    »Himmel! Auf was sollen wir denn für dieses Kleid noch verzichten?«, stöhnte Sassie, als die Kreation geliefert wurde.
    »Auf das Fleisch für den kommenden Monat. Das kannst du gleich abbestellen«, antwortete Mary und brachte die goldfarbene Schachtel nach oben, um ihre Mutter zu überraschen.
    Am Abend des Festes schlüpfte Mary unlustig in ihr unmodernes rotes Taftkleid. Dazu gehörte ein Korsett, mittlerweile ebenfalls passé. Heutzutage trug man Büstenhalter, doch Mary besaß keinen. Sie wirkte müde, abgearbeitet, altmodisch und alles andere als in der Stimmung für eine Party. Wenigstens ihre Hände waren halbwegs gepflegt, weil sie nun Arbeitshandschuhe trug, allerdings nicht die, die Percy ihr zu Weihnachten geschenkt hatte. Die bewahrte sie mit seinem Zettel in einer Schublade auf, weil sie für die Feldarbeit einfach zu schön waren.
    Als sie sich im Spiegel betrachtete, wurde ihr klar, dass sie gegen Isabelle mit ihrem Porzellanteint keine Chance hatte.
    »Wischen Sie sich die Sorgenfalten von der Stirn, Mädchen«, wies Sassie sie an, als sie Mary vor dem Spiegel stehen sah. »Das ist Ihr Abend, und ich möchte, dass Sie Spaß dran haben.«
    Mary zupfte ihre Frisur zurecht. Viel trug das nicht zur Verbesserung des Gesamtbildes bei. »Ich fürchte, mir ist nicht nach Spaß zumute. Hast du nach Mutter geschaut?«
    »Ich hab’s versucht, Miss Mary, aber sie lässt mich nicht rein. Sie sagt, sie kann sich allein anziehen und möchte nicht, dass jemand sie vor ihrem großen Auftritt sieht.«
    »Was sie wohl mit den ganzen gestrickten Streifen vorhat?«
    »Wenn ich das wüsste. Die gehören bestimmt zu dem Geschenk für Sie. Bis sie uns das sehen lässt, müssen wir wohl noch ’ne Weile warten.«
    »Ich zeig’s dir und Toby gleich, wenn ich es aufgemacht habe. Doch jetzt vergewissere ich mich lieber, ob mit ihr alles in Ordnung ist.«
    Als Mary den Flur entlangging, dachte sie an die langen Stunden, die ihre Mutter damit zugebracht hatte, im Salon etwas zu stricken, mit dem sie ihre Tochter offensichtlich um Vergebung bitten wollte, auch wenn Mary eine schlichte rote Rose genug gewesen wäre, auf die sie mit einer weißen reagiert hätte. Von Darla hatte sie erst zweimal ein selbst gemachtes Kleidungsstück bekommen, einmal einen Schal und vor vielen Jahren zu Weihnachten ein Paar Handschuhe. Andere Mütter hatten ihren Töchtern Kleider und Hauben bestickt, Tücher gehäkelt, Pullover und Mützen gestrickt, doch Darla war es immer lieber gewesen, Stickmustertücher zu verzieren. Mary nahm sich vor – egal, wie das Geschenk am Ende aussehen würde und wie wenig Freude sie selbst an dem Fest hätte –, die Gabe ihrer Mutter auf angemessene Weise zu würdigen und dankbar zu sein, dass die triste Zeit vorüber war. Sie klopfte an Darlas Tür. »Mama, alles in Ordnung? Soll ich dir beim Anziehen helfen?«
    »Aber nein!«, antwortete Darla mit glockenhellem Lachen. »Das Kleid ist wunderschön, Liebes. Ich werde dir darin gefallen. Geh mal lieber wieder runter und lass mich allein, damit ich mich auf meinen großen Auftritt vorbereiten kann.«
    Mary wandte sich enttäuscht ab, weil sie sie gern als Erste in ihrem neuen Kleid gesehen hätte, wie früher vor großen Festen. Letztlich war sie immer noch das kleine Mädchen von damals, dachte sie.
    Von der Treppe aus entdeckte Mary durch das Bogenfenster über der Haustür Percys Blondschopf. Er war allein und zu früh dran. Plötzlich wurde Mary wieder von jener Panik ergriffen, die sie in den vergangenen Wochen im Zaum gehalten
hatte. Sie hastete nach unten und riss die Tür auf, bevor er klingeln konnte.
    Sie wusste sofort, was er ihr sagen wollte. Seine Augen waren hell wie Glas und sein Kinn hart wie Stein. »Tut mir leid, dass ich zu früh komme, Mary, aber ich würde gern mit dir sprechen, bevor die andern eintreffen. Mutter und Dad fahren mit dem Wagen. Ich bin zu Fuß gegangen, um ein bisschen frische Luft zu schnappen.«
    Sie versuchte es mit einem Lächeln. »Du hast mir sicher eine Menge zu sagen.«
    »Ich fürchte ja.«
    »An meinem Geburtstag?«
    »Es geht leider nicht anders.«
    »Komm rein. Mutter ist noch nicht fertig.«
    »Mutter?« Er hob

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