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Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)

Titel: Die Erben von Somerset: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leila Meacham
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mir.«
    Sie sah ihn lange wortlos an.
    »Verstehe …«, meinte er schließlich.
    Da drang von draußen das Geräusch von zuschlagenden Wagentüren und Stimmen herein. Sassie eilte aus der Küche herbei, eine gestärkte weiße Schürze über einem schwarzen Kleid, das sie sonst nur zu Beerdigungen trug. »Da kommen sie«, verkündete sie. »Mister Percy … warum legen Sie denn den Mantel nicht ab?«
    »Ich wollte gerade wieder gehen«, antwortete er. »Sag deiner Mutter einen schönen Gruß von mir, Mary. Und … alles Gute zum Geburtstag.«
    Sassie sah ihm fragend nach, als er zur Tür marschierte und sie, ohne sich umzudrehen, hinter sich schloss. »Mister Percy geht? Kommt er nicht zurück?«
    »Nein«, antwortete Mary tonlos. »Mister Percy kommt nicht zurück.«

EINUNDZWANZIG
    M ary stand wie benommen im Flur, als die Gäste hereinzuströmen begannen, die alle sehr elegant und wohlhabend wirkten und entzückt über ihr Treffen mit Darla zu sein schienen, weil es bedeutete, dass die Tolivers wieder Besucher empfingen und am gesellschaftlichen Leben teilnahmen. Abel konnte sein Entsetzen über Marys rote Taftrobe nicht ganz verbergen – schließlich stammte sie aus seinem Warenhaus – , doch Charles Waithe, der erst seit Kurzem in der Anwaltskanzlei seines Vaters arbeitete, strahlte sie voller Bewunderung an, bevor er sich galant über ihre Hand beugte und sagte: »Was für ein phantastisches Kleid, Mary. Die Farbe steht dir. Alles Gute zum Geburtstag.«
    Mary war bei der Begrüßung lediglich zu einem steifen Lächeln in der Lage, so sehr schmerzte sie der Verlust Percys. Aber das schien nur Ollie aufzufallen. Er blieb zurück, als Sassie die anderen Gäste zu den Erfrischungen im Salon dirigierte.
    »Was ist los mit Percy? Warum wollte er nicht bleiben?«
    »Wir hatten … eine Auseinandersetzung.«
    »Wieder? Worüber?«
    »Fair Acres .«
    »Ach«, meinte Ollie nur, als bedürfte es keiner weiteren Erklärung. »Das habe ich schon befürchtet. Percy ist sehr, sehr wütend darüber, dass du dir noch eine Plantage aufgehalst hast, Mary Lamb. Er interpretiert die Angelegenheit als Wahl zwischen ihm und Somerset.«
    »Es war eine Entscheidung, keine Wahl.«
    »Dann müssen wir ihm das erklären.«
    Mary sah Ollie, gerührt über seine Liebe zu ihnen beiden, in die Augen und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Ollie, du hast schon genug geopfert für Percy und mich. Bitte investiere keine Zeit mehr in zwei Menschen, die so darauf versessen sind, sie zu vergeuden.«
    Ollie ergriff ihre Hand und drückte sie gegen das Samtrevers seiner Smokingjacke. »Keine Ahnung, was du meinst, aber mir ist kein Opfer zu groß für zwei Menschen, die mir alles bedeuten.«
    Da nahmen sie am oberen Ende der Treppe eine Bewegung wahr und hoben den Kopf: Marys Mutter, die Hand auf dem Geländer, in gebieterischer Pose, ganz die alte Darla. Beatrice, die vom Salon aus ihren faszinierten Blick bemerkte, winkte die anderen heran. »Darla kommt herunter«, verkündete sie aufgeregt, und die Gäste scharten sich um sie, um Darlas großen Auftritt mitzuerleben.
    Die Bernsteinfarbe und der gerade Schnitt ihres Kleids kaschierten ihren ausgemergelten Körper geschickt, der Samtstoff ließ sie kräftiger erscheinen, und die langen Chiffonärmel verbargen ihre Arme, die von den Jahren im Bett schlaff geworden waren. Die rot geschminkten Lippen und Wangen sowie die Hochfrisur lenkten zwar nur unvollkommen von der Hagerkeit ihres Gesichts ab, aber ihr Lächeln und ihre Haltung waren genauso wie früher, wenn Mary von genau der gleichen Stelle aus fasziniert zugesehen hatte, wie ihre Mutter die Treppe zu ihren Gästen herunterschwebte. »Hallo euch allen«, begrüßte sie die Anwesenden. »Schön, dass ihr da seid.«
    Die Damen bekamen feuchte Augen, Applaus erfüllte die Eingangshalle, und die Gäste drückten ihre Freude darüber aus, sie wiederzusehen. »Du hast das perfekte Kleid für sie ausgesucht«, flüsterte Abel Mary ins Ohr.
    »Gut gemacht«, pflichtete Ollie ihm bei.
    Darla ging lachend von einer Gruppe zur nächsten und streichelte gelegentlich Marys Wange, damit der eigentliche Anlass des Festes nicht in Vergessenheit geriet. Mary war erleichtert. Dass ihre Mutter so viel Aufmerksamkeit auf sich zog, lenkte von ihr selbst ab. Ollie übernahm die Gesprächsführung im Salon, um Mary weiter zu entlasten. Es gab mehr als genug nationale Ereignisse für eine angeregte Diskussion – die Prohibition, den

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