Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Auseinandersetzungen. Versuch nicht, mir weiszumachen, dass du mich nicht für Mamas Rückzug in ihr Zimmer … und ihren Tod … verantwortlich machst.«
»Meine Differenzen mit dir drehen sich ausschließlich um deine Besessenheit von Somerset, das dir wichtiger ist als alles andere. Das hat nichts mit deiner Mutter zu tun. Sie hätte nicht sterben oder in ihrem Bett vor sich hinvegetieren müssen, sondern sich für das Leben und die Liebe zu dir entscheiden und dich unterstützen können, unabhängig davon, wen dein Vater in seinem letzten Willen bedachte.«
Mary sah ihn mit großen Augen an. »Aber du bist doch der Ansicht, dass Somerset an sie hätte gehen sollen!«
»Natürlich. Ich bin allerdings auch der Überzeugung, dass
ihr Tod nicht notwendigerweise aus der Entscheidung deines Vaters hätte resultieren müssen und dass es widerwärtig von ihr war, dich das glauben zu machen.«
Tränen schossen ihr in die Augen. »Ist das dein Ernst, Percy?«
»Ja«, antwortete er, erhob sich, schloss sie in die Arme und wiegte sie wie ein Kind, das gerade aus einem Albtraum erwacht ist. »Leider war ich so dumm, nicht gleich zu erkennen, was du denkst. Um dieses Missverständnis zu klären, habe ich dich hierhergebracht. Wir mögen unterschiedlicher Meinung sein, aber nicht über den Tod deiner Mutter.«
»Mein Gott, Percy …«, seufzte sie. Seine Umarmung war gefährlich, das wusste sie, doch sie genoss das Gefühl der Sicherheit, Stärke und Vergebung, das sich damit verband.
Er küsste sie auf die Stirn und schob sie ein wenig von sich weg. »Nur noch Haut und Knochen«, sagte er und knetete ihre Schultern. »Du solltest etwas essen, bevor wir weiterreden. Trink deinen Wein, damit du Appetit kriegst.«
Plötzlich fühlte Mary sich leicht und unbeschwert und spürte sogar so etwas wie Hunger. Sie sah Percy zu, wie er leise vor sich hinsummend im Küchenbereich arbeitete. Er ruhte so in sich selbst, dachte sie und nahm einen Schluck Wein. Percy schien das Leben keine Mühe zu bereiten; er ließ sich von den Wellen des Schicksals dahintragen wie ein stabiles Schiff. Würden sie glücklich werden, falls sie heirateten? Er war ein Mann aus Stahl, wie ihr Vater. Als solcher hatte Vernon Toliver es sich leisten können, eine Frau wie ihre Mutter zu ehelichen. Doch Mary war aus härterem Holz geschnitzt als Darla. Es ließe sich nicht verhindern, dass sie und Percy über kurz oder lang aneinandergerieten.
Der Alkohol begann zu wirken. Sie musste aufpassen. Diese enthemmende Wirkung war der Grund, warum ihre Mutter zu trinken angefangen hatte – um sich besser zu fühlen,
mehr Appetit zu haben, den Schmerz zu lindern. »Kann ich dir irgendwie helfen?«, fragte Mary Percy, der gerade auf einen in der Spüle vor sich hinschmelzenden Eisblock einhackte.
»Nein. Bleib einfach sitzen und entspann dich.«
Ja, das würde sie tun, dachte Mary. Sie würde diese seltenen Augenblicke der Ruhe genießen. Während sie es sich bequem machte, ließ sie den Blick über die Dinge wandern, die die Jungs aus ihren Elternhäusern hierhergebracht hatten. An einer Wand hing der Kopfschmuck eines Indianerhäuptlings aus Miles’ Zimmer. Bei dem Gedanken an ihren Bruder erfüllte Mary ein dumpfer Schmerz. Er hatte nicht auf den langen Brief geantwortet, in dem sie ihm die letzten Tage ihrer zufrieden am Geburtstagsgeschenk für Mary strickenden Mutter als glücklich beschrieb.
»Essen ist fertig«, verkündete Percy wenig später, und Mary musste lachen, als er sich mit großer Geste verbeugte, ihre Hand nahm und sie an den Tisch führte. Sie gab sich Mühe, das Gesicht nicht zu verziehen, als sie die Riesenportionen auf den Tellern sah. Ihr Magen fühlte sich an, als wäre er auf die Größe eines Fingerhuts geschrumpft.
»Sieht … verlockend aus«, sagte sie und kostete das ihr unbekannte Gericht, einen Salat mit gewürfelten Hühnchenstücken, grünen Weintrauben und gerösteten Mandeln in einem klaren, erfrischenden Dressing. Sie schloss verzückt die Augen. »Mmmm. Percy, köstlich.«
Er reichte ihr den Brotkorb. »Probier auch davon.«
Sie nahm eines der leichten halbmondförmigen Gebäckstücke und biss hinein. »Himmlisch«, seufzte sie.
»Die heißen Croissants gehören zu meinen wenigen positiven Erinnerungen an Frankreich. Die Köchin der DuMonts hat der unseren gezeigt, wie man sie backt.«
Mary aß ihren ganzen Salat und zwei Croissants. Danach
schob sie den Teller weg und legte die Hände auf den Bauch. »Die
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