Die Erben von Somerset: Roman (German Edition)
Rettungsanker für Somerset missbraucht. Von Percy hättest du für die Plantage keinen Cent gekriegt, auch nicht als seine Ehefrau. Und verrückt, wie du bist, hast du dich für Somerset entschieden.«
»Lass uns das Thema wechseln, ja?«, sagte Mary.
»Worüber wollen wir reden? Über Mama vielleicht? Ich werde das Gefühl nicht los, dass sie nicht friedlich im Schlaf gestorben ist.«
»Wenn du da gewesen wärst, hättest du dich mit eigenen Augen überzeugen können.«
Miles strich sich mit einer vertrauten Geste die Haare aus dem Gesicht. »Ich unterstelle dir nichts, Mary. Es klingt nur überhaupt nicht nach ihr, dass sie urplötzlich aus dem Bett aufgestanden sein soll, um eine Geburtstagsfeier für dich zu organisieren.«
»Mich hat’s auch überrascht, aber es war so. Offenbar hat es sie am Ende doch zu sehr angestrengt. Und dass du mir nichts unterstellst, will ich hoffen, Miles. Ein Bruder, der seine Mutter und seine Schwester in der Not im Stich lässt, befindet sich wohl kaum in der geeigneten Position, auf Pflichtversäumnisse hinzuweisen.«
Sie gaben sich Mühe, doch die Familienbande waren und blieben gekappt. Miles erschien ihr wie ein Fremder, und fast
wünschte Mary, sie hätten ihn nicht aufgespürt. Sein äußeres Erscheinungsbild entsprach der Vorstellung, die sie von ihm als Versager hatte. Gern nahm sie diesen – vielleicht letzten – Eindruck von ihrem Bruder nicht mit nach Hause. Höflichkeit und ein Rest schwesterlicher Verbundenheit geboten es ihr, Miles zu sich ins Hotel einzuladen, damit er seinen Neffen sehen könnte, aber sie hoffte, dass er nein sagen würde.
Da kam Ollie zurück. Als Miles sah, wie geschickt sein Schwager sich mit Hilfe der Krücken fortbewegte, sagte er: »Sei gut zu Ollie, kleine Schwester. Ihn haben dir die Götter geschickt. Einen Besseren als ihn findest du nicht. Vergiss das nie.«
»Versprochen«, sagte Mary.
Miles schlug die Einladung, seinen Neffen zu sehen, tatsächlich aus, und die DuMonts verließen Europa, ohne ihn noch einmal zu treffen. Sie reisten in derselben Woche ab, um rechtzeitig zum letzten Teil der Ernte in Somerset zu sein. Mittlerweile war es Ende September und ihr Sohn fast fünf Monate alt, doch keiner in Howbutker zweifelte beim Anblick des Kleinen an der Behauptung der Eltern, dass er acht Wochen weniger auf dieser Welt weilte.
Mary Toliver DuMont, die immer noch auf der Veranda saß, öffnete die Augen. Die Sonne war über die oberste Spitze des Dachs gewandert und brannte nicht mehr so heiß herunter. Der Rock von Marys grünem Leinenkostüm klebte zerknittert an ihren Oberschenkeln. Einen verwirrenden Moment lang hatte sie keine Ahnung, wo sie sich befand oder in welchem Jahr. Auf dem Tisch neben ihr stand ein Sektkühler, und in dem geschmolzenen Eis ruhte eine fast leere Flasche Taittinger. Der Lippenstiftabdruck auf dem Rand des Glases sagte ihr, dass sie getrunken hatte – allein.
Neunzehnhundertfünfundachtzig, erinnerte sie sich jetzt
wieder. August 1985, und sie hatte von der vorderen Veranda ihres Hauses aus eine Reise in die Vergangenheit unternommen.
Die Reise zurück in die Gegenwart war lang gewesen. Nur die Erinnerung an die Geburt ihres Sohnes und ein merkwürdiges Gefühl am Rücken hatten sie wieder hergeholt. Der Ritt auf dem Zauberteppich war definitiv vorüber; sie wollte herunter. Plötzlich spürte sie einen stechenden Schmerz in der Brust, wie immer, wenn sie an Matthew dachte. Wie dumm von ihr, den Zeitpunkt der Zeugung falsch eingeschätzt zu haben! Damals hatten junge Frauen so wenig über ihren Körper gewusst, besonders wenn sie praktisch mutterlos aufgewachsen waren wie sie.
Wenn sie sich besser ausgekannt hätte, wäre ihr Leben anders verlaufen. Percy war am Tag nach ihrer und Ollies Abreise nach Howbutker zurückgekehrt. Hätte er nur seine Eltern angerufen und ihnen mitgeteilt, dass er auf dem Weg nach Hause war! Dann hätte sie die Hochzeit abgeblasen, und ihr und Percy wäre es vergönnt gewesen, alles wieder ins Lot zu bringen. Wäre sie an jenem Nachmittag nur nicht zur Hütte gegangen, voller Lust auf seinen Körper, seinen Mund und seine Hände! Hätte er nur eingewilligt, seine Unterschrift mitunter den Vertrag zu setzen! Wie sich später herausstellte, hätte er keinen Cent verloren. Das folgende Jahr hatte eine Rekordernte gebracht, die es ihr ermöglichte, Fair Acres von seiner Schuldenlast zu befreien. Im Jahr darauf hatte sie die Hypothek vollends abbezahlt, und seitdem
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