Die Erben
sitzen die Einzelgänger“, fuhr sie fort, als wir uns einen Tisch suchten. „Ich frage mich täglich, ob sie eigentlich noch Einzelgänger sind, wenn sie gemeinsam an einem Tisch sitzen.“
„Gute Frage“, gab ich zu und Ava deutete auf einen Tisch an der Wand.
Ein braunhaariger Schüler saß bereits dort und kämpfte verbissen mit dem Deckel eines Jogurtbechers und als wir bei ihm ankamen, hatte er den Deckel abgerissen und sich selbst mit Jogurt bespritzt.
„Na Joe, wieder dabei den Ruf zu retten?“, begrüßte Ava ihn und mit verzogenem Gesicht sah er sie an.
„Das kann doch nicht immer an mir liegen“, beschwerte er sich und wischte die Sauerei von seinem Jackett. „Warum werden Jogurts eigentlich so dämlich verschlossen?“ Er begann den Jogurt zu studieren, als er über den Becherrand plötzlich mich entdeckte.
„Du bist neu“, stellte er fest.
„Haarscharf erkannt“, erwiderte ich. „Ich bin Lyn.“
„Joe Sanders, angenehm.“ Er nickte, dann widmete er sich wieder seinem Jogurt.
„Joe und ich sind schon seit dem Kindergarten befreundet“, erklärte mir Ava. „Unsere Mütter waren zusammen im Frauenverein.“
Ich nickte, während ich weiter Joe beobachtete.
„Meinst du, du löst das Rätsel heute noch?“, erkundigte ich mich und deutete auf den Becher.
„Ich bin unsicher. Das Einfachste wäre wohl in Zukunft nur noch Jogurt mit Drehverschluss zu nehmen“, gab er sich geschlagen und stellte den Jogurt auf sein Tablett.
„Wahrscheinlich“, gab ich ihm Recht und verkniff mir ein Lachen. Ich mochte diesen Joe, er erinnerte mich an meine eigene Verschrobenheit manchmal.
„Uh, Norman macht Stunk“, meinte Ava plötzlich und ich folgte ihrem Blick.
An der Theke mit den belegten Brötchen stand ein Junge mit aschblonden Haaren, einer krummen Adlernase und unnatürlich großen Augen, die beinnahe aus den Augenhöhlen zu quellen schienen.
„Das Ei hat Flecken, ich esse das nicht“, beschwerte er sich lautstark und hielt der Verkäuferin das belegte Brot entgegen. Mittlerweile sah die ganze Schülerschaft zu ihm und die Frau hinter der Theke nahm mit zitternden Händen das Sandwich zurück und gab ihm ein neues Brot.
„Der ist doch dämlicher als ein Einzeller“, murmelte Joe und hielt sein eigenes Ei-Schicken-Sandwich hoch. „Die Eier waren gefärbt, deswegen sind da Flecken.“
„Als würde das Norman interessieren“, wandte Ava ein und ich drehte mich wieder zu ihnen. „Der muss sich immer beschweren, egal um was es geht.“
„Heißt er wirklich so?“, wollte ich verwundert wissen und Ava begann zu grinsen.
„Kennst du den Film Psycho?“, fragte sie und ich nickte. „Dann weißt du ja, wie der Irre heißt.“
„Norman“, gab ich belustigt zurück und Ava lachte.
Ich biss in meinen Müsliriegen und schaute mich in der Cafeteria um.
Rein äußerlich unterschieden sich die Schüler hier tatsächlich nicht viel von denen meiner alten Schule. Im Grunde einfach alles Teenager, mit einem Gesicht, Gliedmaßen und allem was dazwischen war.
Der Unterschied war schlicht der Gestank von Geld. Da wir Schuluniformen trugen, konnte man es an der Kleidung nicht erkennen, aber das war bei den meisten auch nicht nötig.
Es war diese Einstellung, die Art wie sie gingen und redeten.
Mein Blick blieb an Sarah van der Veer hängen, die ein Paradebeispiel darstellte. Sie trug ihre Haare zu einer perfekten Flechtfrisur, die selbst einem Steinschlag Stand gehalten hätte und biss in ihr Sandwich, ohne auch nur einen Krümel im Mundwinkel zu hinterlassen. In orthopädisch einwandfreier Haltung saß sie da und trug eine Kälte zur Schau, die mich dazu veranlasste zu glauben, dass sie all die Stimmen, die ihr zur Präsidentschaft des Schülerbeirats verholfen hatten, allein durch Einschüchterung bekommen hatte.
Ihr gegenüber saß ihr Bruder, noch immer mit einem unübersehbaren Veilchen und riss scheinbar gerade einen Witz, der Sarah nicht einmal ein müdes Lächeln entlocken konnte. Der blonde Kerl neben Simon stocherte allerdings auch nur desinteressiert auf seinem Teller herum, was aber irgendwie nach allgemeinem Desinteresse aussah. Einzig Sisy Calahan lachte.
„Aha, unsere Neue hat große Ambitionen“, hörte ich Joe und drehte mich irritiert zu ihm.
„Was meinst du?“, wunderte ich mich und er deutete an den Tisch von Sisy und Sarah.
„Na, der Hochadel da drüben“, erwiderte er und biss in sein Sandwich.
„Ich habe Spanisch mit zwei von denen, das ist
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