Die Erben
zu ihren Eltern.“
„Aha“, blaffte ich ihn sarkastisch an. „Und ist es bei den Geschwistern Reynolds normal, dass sie sich mit einem innigen Zungenkuss begrüßen?“
Thor stand auf, doch sein Lächeln nahm nur unbedeutend ab. „Das hast du vermutlich nur falsch interpretiert“, begann er. „Du magst Fiona nicht, wahrscheinlich hast du dir das wegen deiner Antipathie nur eingebildet.“
Ich schnaubte und ging erneut vor meinem Bett auf und ab. „Glaub‘ mir, Thor, es ist nicht so, als fände ich es begrüßenswert, deine Freundin beim Betrügen zu ertappen.“
Vor allem, wenn ich es zuvor an die dreitausend Mal geträumt habe
, setzte ich in Gedanken nach.
„Und ich verwechsle keinen geschwisterlichen Kuss mit einem Zungenkuss. Verdammt noch mal, er hat ihr beinahe die Mandeln heraus operiert.“
„Jetzt übertreib mal nicht“, ermahnte mich Thor und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es gibt sicher einen ganz simplen Grund für das Ganze.“
„Ja, dass sie dich betrügt“, schrie ich Thor an und seine Augen verdunkelten sich. „Verdammt Thor, bist du wirklich so blind? Sie betrügt dich, so einfach ist das. Ich sehe es ja ein, dass dich das verletzt, aber stell mich nicht als naive Lügnerin hin, die nur versucht, deine Beziehung zu torpedieren.“
„Es gibt keinen Grund so herumzuschreien“, meinte er kühl und funkelte mich an. „Warum bist du ihr überhaupt nachgegangen? Bist du dermaßen versessen darauf, dass sie ein schlechter Mensch ist, dass du ihr schon nachsteigst, um sie bei einem Fehltritt zu beobachten?“
Ich japste und starrte Thor an. „Du gibst jetzt nicht wirklich mir die Schuld? Deine Freundin geht fremd und du machst mir Vorwürfe, weil ich es beobachtet habe?“
Thor biss sich auf die Zähne und sein Gesicht wirkte hart wie Stein. „Du hast Fiona schon immer gehasst und misstraut und das ohne Grund. Es ist deswegen schon ziemlich komisch, dass du ihr
zufällig
über den Weg gelaufen bist und
zufällig
Zeuge davon wurdest, wie sie
angeblich
einen fremden Mann geküsst hat.“
Ich wollte zurück schießen, doch ich stockte.
Der Mann war kein Fremder gewesen, doch erst jetzt fiel mir wieder ein, woher ich ihn kannte.
„Ich weiß, wer der Mann war“, murmelte ich leise und Thor ging einen Schritt auf mich zu.
„Bitte?“
„Ich sagte, ich weiß, wer der Mann war“, wiederholte ich lauter und sah meinen Bruder an. „Er arbeitet mit Fiona zusammen. Als ihr Beide mal zu Besuch in Danbury wart, hat er sie wegen einer Geschäftsreise abgeholt.“
„Jason Field?“, fragte Thor, doch ich zuckte die Schultern.
„Keine Ahnung, wie er hieß“, entgegnete ich. „Aber er fährt einen silbernen Volvo mit einem Kennzeichen aus New York.“
Thor ließ die Schultern hängen und seine Mimik erschlaffte. Offensichtlich wurde ihm in diesem Moment klar, dass ich die Wahrheit sagte.
Ohne ein weiteres Wort ging er zur Tür und ließ mich alleine zurück.
Er tat mir Leid und ich wünschte, ich hätte ihm das nie erzählen müssen. Doch ich war auch froh, dass er wieder weg war. Bevor er mir noch irgendwelche Fragen stellen konnte, die unangenehm werden könnten.
Ich konnte ihm nicht von meinem Traum erzählen.
Ich wollte es auch gar nicht.
Was wäre das denn für eine Unterhaltung gewesen?
Hey Thor, übrigens wusste ich schon lange, dass Fiona dich betrügt. Seit Wochen habe ich Visionen und träume davon. Weil ich eine verdammte Hexe bin. Oder ein kleiner Psychopath. Wer weiß das schon?
Meine innere Stimme lachte mich böse aus.
Wurde ich verrückt?
Waren diese Träume ein Beweis dafür, dass ich nicht mehr ganz richtig tickte?
Mein Blick blieb an meiner Pinnwand hängen. Meine Großeltern lächelten mich von einem Foto aus an und ich hechtete zu meinem Nachtisch, um den Telefonhörer in die Hand zu nehmen, als mir im gleichen Moment einfiel, dass sie zwei Tage zuvor auf eine Kreuzfahrt gegangen waren.
„Scheiße“, fluchte ich laut und ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen.
Kafka kam auch mich zugetrottet, um sich von seinem durchgeknallten Frauchen streicheln zu lassen und ich klopfte auf die Decke, damit er zu mir aufs Bett sprang, wo er sofort seinen Kopf müde auf meinen Bauch legte.
Es war einfach unmöglich, was da passiert war.
Ich konnte es nicht glauben und ich wollte es auch gar nicht.
Es schien, als drückte mein Hirn von innen gegen meine Schädeldecke, so sehr dröhnte mir der Kopf. Ich musste mich zwingen ruhig zu atmen,
Weitere Kostenlose Bücher