Die Erben
jedes Mal, wenn mir wieder ein Detail dieses verrückten Tages einfiel.
Vielleicht war es wirklich nur, weil ich Fiona nicht leiden kann
, dachte ich vorsichtig und schloss die Augen.
Vielleicht war das alles nur ein irrwitziger Zufall, wie sie Millionen Mal jeden Tag passierten und ich übertreibe einfach nur endlos.
Immer und immer wieder wiederholte ich dieses Mantra in meinem Kopf und kraulte Kafkas weiches Fell.
Ich versuchte meinen Kopf zu ignorieren, der hin und wieder böswillig einwarf, dass meine Selbstlüge, die ich da versuchte zu verinnerlichen, einfach außer Acht ließ, dass ich schlicht jede verfluchte Einzelheit dieses Vorfalls gewusst hatte, bevor sie eingetreten war.
Trotzdem redete ich mir unaufhörlich ein, dass es alles nur ein Zufall war und mein Unterbewusstsein so versessen darauf gewesen war Fiona zu hassen, dass es mich zufällig von ihrer Untreue träumen ließ.
Ich hätte ebenso gut davon träumen können, wie sie jemanden ermordet.
Langsam wurde mein Kopf müde.
Es war einfach nur ein Zufall.
Das Pochen ließ nach und ich konzentrierte mich nur auf Kafkas Atmen und mein Mantra.
Ein kranker Zufall, aber nichtsdestotrotz ein Zufall.
Langsam wurde ich ruhig. Endlich.
Einfach nur ein Zufall…
Ein Zufall.
Die Sonne kitzelte meine Nase am nächsten Morgen und weckte mich. Kafka und ich lagen noch immer da wie am Abend zuvor, als ich nach meinem Nervenzusammenbruch ins Bett gefallen war.
Deinem überaus peinlichen Nervenzusammenbruch
, berichtigte ich mich in Gedanken und setzte mich auf. Kafka knurrte missbilligend, als er sich wegen mir bewegen musste und sprang vom Bett, um sich auf seine Decke zu legen und weiter zu schlafen.
Vorsichtig hob ich meine Hand, um meine Nase zu befühlen.
Ein kleiner Punkt in meinem Bauch zog sich zusammen, doch erleichtert atmete ich aus.
Kein Blut.
Ich schwang die Füße vom Bett und sah aus dem Fenster.
Alles war normal.
Ich hatte nichts geträumt, zumindest konnte ich mich an nichts erinnern, und es war gerade mal halb neun morgens und trotzdem war ich wach und ausgeschlafen.
Ein Zustand, den ich seit Monaten nicht mehr genießen durfte, weswegen ich Schlafmangel ganz oben auf die Liste der Gründe für diesen bescheuerten, aber vollkommen gewöhnlichen Vorfall setzte.
Es klopfte an der Tür und wieder war es mein Bruder, der herein kam.
„Hi“, begrüßte ich ihn schlicht.
Ich war nicht wirklich sauer auf ihn. Wenn einer wusste, wie sich ein beschissener Tag anfühle, dann ja wohl ich. Nur dass Thor eben im Gegensatz zu mir nicht einfach nur Opfer eines launischen und humorlosen Zufalls geworden war.
Trotzdem war es verletzend gewesen von ihm als Lügnerin hingestellt zu werden.
„Fiona betrügt mich wirklich“, meinte mein Bruder nüchtern in die Stille hinein. Er war direkt hinter der Tür stehen geblieben und sah mich traurig an.
„Hin und wieder habe eben auch ich Recht“, gab ich zurück und Thor schnaufte.
Er kam herüber und setzte sich zu mir aufs Bett. „Ich hätte dir nicht unterstellen sollen, dass du nicht die Wahrheit sagst oder dir das Ganze nur eingebildet hast. Es tut mir Leid.“
Ich zuckte nur mit den Achseln und zog die Beine hoch. „Hast du mit ihr geredet?“
Thor nickte. „Gestern Nacht noch.“
„Was hat sie gesagt?“, wollte ich wissen und Thor lehnte sich vor, um sich auf seinen Knien abzustützen.
„Dass es stimmt“, stieß er aus. „Sie hat es sofort zugegeben.“
Ich zog eine Augenbraue hoch und machte eine ausladende Bewegung mit der Hand. „Und jetzt überreichen wir ihr den Friedensnobelpreis?“
Thor verdrehte die Augen. „Nein, natürlich nicht. Ich meinte damit nur, dass sie wenigstens nicht angefangen hat, Ausreden zu finden oder es abzustreiten.“
„Indem sie zum Beispiel sagt, ich hätte es mir nur eingebildet, weil ich sie nie leiden konnte?“, gab ich spitz zurück und Thor setzte sich auf, doch er blieb ruhig.
„Ich hab doch gesagt, dass es mir Leid tut“, ermahnte er mich. „Und das tut es auch. Ich habe Fiona geliebt, wir waren schließlich auch schon eine ganze Weile zusammen. Natürlich wollte ich nicht wahr haben, dass sie mir so in den Rücken fällt und mich dermaßen beleidigt.“
Ich nickte und nahm seine Entschuldigung mit einem schiefen Lächeln an.
Mein Bruder sah wieder an die Wand. „Es war ein recht ruhiges Gespräch“, fuhr er fort. „Ich habe sie angerufen und gesagt, dass ich sofort mit ihr reden will. Als wir uns getroffen haben,
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