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Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: EJ Waldau
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kein unkontrolliertes Nasenbluten mehr erleiden musste und meine Träume an Durchschnittlichkeit kaum zu übertreffen waren.

In einem Traum, an den ich mich erinnern konnte, war ich mit ein paar Mitschülern in einer Art Museum und wir glotzten irgendwelche Statuen an, die mit uns sprachen.

Das hatte nun wirklich kein prophetisches Potenzial, sondern war lediglich ein Zeichen dafür, vielleicht einmal meine Bücherwahl zu überdenken.

Dann hatte ich einen Traum gehabt, in welchem ich mir ein Motorradrennen mit Simon geliefert hatte, wobei die Reifen der Motorräder aus Gurkenscheiben bestanden hatten.

Ich setzte diesen Traum logischerweise auch auf den Index der Träume, die null Visionscharakter hatten, vor allem aber wegen Simon van der Vollidiot.

Ein wahrer Schmaus war der erträumte Strandspaziergang mit Kafka gewesen, als wir einen an Land gespülten Jack Sparrow im Sand fanden.

Mein Leben war wieder genauso herrlich durchschnittlich langweilig geworden, wie das einer jeden halbwegs normalen Siebzehnjährigen.

Von ein paar unwichtigen Details, wie meiner Herkunft, den dreihundert Umzügen, meiner Schule und meinem allgemein eher gewöhnungsbedürftigen Wesen abgesehen.

Wirklich schlimm war für mich nur das Wort „College“ geworden und der ganze Stress, der damit zusammen hing.

„Ich weiß, ihr könnt es nicht mehr hören“, meinte Mr. Brown verständnisvoll, als er uns in Geschichte auf einen Halbjahrestest vorbereiten wollte, dessen Ergebnis für die Collegebewerbungen wichtig war. „Aber so ist das nun mal im letzten Schuljahr. Also schreibt euch die Schlagworte von der Tafel und tut euch selbst den Gefallen und ergänzt zu Hause die wichtigsten Eckdaten dazu.“

„Können Sie das nicht machen?“, wollte ich gelangweilt wissen und Mr. Brown sah mich mit einem vermutlich autoritären Ausdruck an. Er war einfach zu jung, um das überzeugend praktizieren zu können.

„Das werde ich nicht machen, Lyn“, meinte er.

„Aber wieso?“ Ich richtete mich auf und unterdrückte ein Grinsen. „Als Lehrer werden Sie doch wohl genug Zeit haben, uns vernünftige Arbeitsgrundlagen zur Verfügung zu stellen.“

Die Klasse begann leise zu lachen und Mr. Brown hatte Mühe sich zwischen Entrüstung und Belustigung zu entscheiden. „Das war wohl eindeutig das Frechste, was ich dieses Jahr gehört habe.“ Er grinste trotzdem.

„Wie jetzt?“, meinte ich todernst. „So allgemein oder nur von mir?“

„Allgemein“, erklärte Mr. Brown und setzte sich auf den Pult. „Aber es überrascht kaum, dass es von dir kam. Und jetzt schreibt, bevor es klingelt.“

In letzter Sekunde hatte ich die letzten vier Schlagwörter zum Amerikanischen Bürgerkrieg abgeschrieben und wollte gerade aus dem Klassenzimmer, als Mr. Brown mich zurück rief.

Halb einen Anpfiff erwartend trottete ich an den Pult, auf dem er noch immer saß. Er deutete auf einen der Stühle in der ersten Reihe und langsam ließ ich mich ihm gegenüber nieder.

„Du schlägst dich ganz gut in Geschichte“, begann er überraschend und ich runzelte die Stirn.

„Hä?“

„Ich sagte, du schlägst dich ganz gut in Geschichte, wenn man bedenkt, dass du neu an der Canterbury bist“, wiederholte er und verschränkte die Arme vor der Brust. „Allerdings ist mir aufgefallen, dass dein Stundenplan… Sagen wir, er lässt nicht gerade darauf schließen, welche Pläne du nach der High School hast.“

Ich lehnte mich zurück. „Ich hab das ganze Collegezeug echt im Griff, Mr. Brown.“

Das war so ziemlich die größte Lüge, die mir über die Lippen hatte kommen können.

Tatsächlich hatte ich es bisher noch nicht einmal fertig gebracht, die etwa dreißig Broschüren, die ich mir hatte zuschicken lassen, aus ihren Umschlägen zu befreien.

„Und wo wirst du dich bewerben?“ Er stellte gute Fragen, das musste man ihm neidlos zugestehen.

„Harvard? Yale? Princeton?“, zählte ich gelangweilt auf und Mr. Brown sah mich zunehmend skeptischer an.

„Lyn, du bist gut“, gab er zu. „Aber außer in Englisch, Geschichte und vielleicht noch Politik hast du keine Noten, die für die Ivy League reichen.“

„Mathe wird schon besser und in Spanisch hole ich auf“, warf ich ein und ignorierte Mr. Browns Schmunzeln. „Ennis Townsend hilft mir da total gut. Und Sisy Calahan sitzt in Mathe neben mir.“

Ennis lässt mich in Spanisch vor allem regelmäßig abschreiben
    , korrigierte ich mich in Gedanken.
Und meine Mathematikerfolge sind reiner Trotz

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